An den stimmungsvollen Herbstimpressionen von Andreas Schmelz freue ich mich schon seit Wochen, vor allem seine Kupferhofallee hat es mir angetan, denn sie ist auch in dieser Jahreszeit wunderschön. Hohenlohe muss ein ganz besonderer Ort sein, und ich nehme mir wieder einmal vor, nächstes Jahr unbedingt dorthin zu fahren.
Andy sehe ich im Moment jeden Tag, auch wenn er selbst davon nichts merkt und ich ihn außerhalb der Literatur noch nie persönlich getroffen habe. Aber ihm gehört die Bäckerei und Konditorei in dem Roman, den ich gerade ein letztes Mal „poliere“, und wir holen morgens bei ihm unsere Brötchen. Sie sind genau so wie Brötchen sein sollten, außen knusprig und innen luftig, was heute fast schon eine Seltenheit ist. Und seine Croissants machen geradezu süchtig.
Noch vor wenigen Tagen hat er meinen Buch-Kindern zu Halloween hübsche Tüten mit Vanille Fudge geschenkt. Es waren besondere Tüten, denn er hatte eigenhändig grinsende Kürbisse darauf gemalt. Die Mädchen waren diesmal beim „Grabschen“ (ihr Spezialwort für den Trick or Treat-Heischegang, geborgt von den Peanuts) als Herbstgeister verkleidet, und sogar Andys Spaniel war entzückt. Maja hat alle Kinder trotz der tollen Verkleidung sofort erkannt und begeistert bellend umkreist. Andy hat sie auch erkannt, aber er hat es nicht verraten, um ihnen den Spaß nicht zu verderben.
An Thanksgiving sind Andy und Bärbel zusammen mit einigen anderen Personen aus meinem Buch am Brüsseler Platz 4A zum Festessen eingeladen. Weit haben sie es nicht, sie brauchen nur zwei Häuser nach rechts zu gehen, wenn man direkt vor der Konditorei „Schmelzle“ steht. Das Haus kann man nicht verfehlen, denn unten ist das Antiquariat Halibutt Vater & Sohn. Als Schriftstellerin weiß ich auch schon, was es zu essen gibt und dass nicht alles so glatt läuft wie es sollte, weil der melancholische Sparky und die exzentrische Coco sich mal wieder übel verkracht haben. Beide sind Übersetzer, Sparky ist Spezialist für Kunst, auch wenn er oft genug Mühe hat, die komplizierten Texte zu verstehen, Coco ist Fachfrau für Esoterik. Das Essen ist trotzdem ein Gedicht. Es gibt Kürbissuppe mit Ingwer, Truthahn mit Süßkartoffeln und glasierten Möhren und zum Nachtisch Mousse au Chocolat. Den Nachtisch bringt Andy höchstpersönlich mit. Genau wie das leckere Kartoffelbrot zur Suppe. Kartoffelbrot gehört auch zu seinen Spezialitäten. (Keine Ahnung, ob der echte Andy Kartoffelbrot mag.) Dass er köstliche Schneeballen backen kann, weiß hier jeder, aber die gibt es im Buch erst vor Weihnachten, weil sie den Kölnern leider doch etwas schwer und ungewohnt im Magen liegen. In Hohenlohe, sagt Buch-Andy, gibt es sie in jeder Bäckerei. Und zwar in den unterschiedlichsten Varianten. Hier in der Konditorei „Schmelzle“ allerdings nur klassisch. Vielleicht lernen die Kölner sie ja irgendwann richtig schätzen. Zu St. Martin in ein paar Tagen gibt es natürlich traditionsgemäß Weckmänner, Püfferkes, leckere Krapfen mit Rosinen und kleine Mutzenmandeln. Die gibt es in Köln auch an Karneval.
Mein Buch-Andy hat gerade Heimweh nach seiner Heimat Hohenlohe, denn in der Konditorei präsentiert er schon seit einigen Wochen seine geliebte Foto-Herbstausstellung. Es sind in diesem Jahr (im Buch wird es übrigens auch noch einen zweiten Herbst geben) genau die Bilder, die hier im Beitrag zu sehen sind, allerdings in SEHR GROSS. Sein „Zauberwald“ ist hier inzwischen wohlbekannt. Da können die Bäume am Brüsseler Platz leider nicht mithalten, auch wenn sie vor St. Michael, der Kirche gegenüber, gerade jetzt sehr malerisch wirken. Wenn sie ihre Blätter ganz verloren haben, kann man auch wieder die Engel mit den langen spitzen Flügel vor dem goldenen Mosaik sehen, und den Heiligen Michael oben über dem Eingang. Zu seinen Füßen liegt ein Drache, doch die Mädchen finden, dass er eher aussieht wie ein Babykrokodil.
Langsam werden die Nächte kühler, und wenn Andy frühmorgens mit der Kiepe auf dem Rücken auf dem Fahrrad seine Brötchen ausfährt (darauf besteht er, weil es einfach schöner aussieht und gute alte Tradition ist), sieht man ihn oben vom Erkerfenster meiner Buch-Familie nur noch verschwommen, denn es kann um diese Zeit schon recht neblig sein. Meistens merkt er, dass wir ihn beobachtet, hebt den Kopf, lächelt und winkt uns freundlich zu.
Das Bild mit dem Fliegenpilz hängt immer noch vorn neben der Konditoreitür. Schon seit Monaten. Als Andy es vor einiger Zeit abnehmen wollte, legten seine Stammkunden sofort lautstark Protest ein. Sogar der alte Herr Christen aus der Lütticher Strasse, der sonst kaum spricht. Das Bild sei einfach zu schön, sagt er. Es erinnert ihn an seine Kindheit und an das alte Kinderlied „Ein Männlein steht im Walde“, auch wenn damit eigentlich die Hagebutte gemeint ist. Aber das weiß er vielleicht nicht. Früher gab es jedenfalls eindeutig mehr Fliegenpilze als heute. Das sagt nicht nur Herr Christen.
Danke für diesen wunderbaren Vorgeschmack. Mit lächelndem Gesicht habe ich es gelesen. Da ist das Herz bei der Sache. Bin neugierig, wie es weiter geht. Herr Schmelzle gefällt mir sehr gut. Danke für diesen wundervollen Einblick.
Danke für die nette Rückmeldung. Für mich sind die Personen in meinen Büchern fast so real (oder auch genau so…) wie „echte“ Menschen. Und mein Bäcker Andy ist eine echte Bereicherung.