Im Oktober 2022 erwischte mich Covid erneut, fast auf den Tag genau zwei Jahre nach der ersten Infektion (mit dem Wildtypus), leider auch diesmal wieder pünktlich vor meinem Lieblingsfest Halloween, das natürlich auch diesmal ausfiel. Nicht mal die Kürbisse habe ich geschnitzt, und gefeiert haben wir auch nicht, obwohl der Test an dem Tag noch negativ war.
Mein sensitives Körpergefühl schlug gleich deutlich Alarm, obwohl die Symptome diesmal völlig anders waren und ich es mit dem Verstand nicht wahrhaben wollte. Nicht schon wieder! Einmal genesen und fünf Mal geimpft! Sogar gegen BA 4 und BA 5. Was sollte denn das jetzt sein? Etwa die Cerberus-Variante? Ich verlasse das Haus ausgesprochen selten, versuche immer, Abstand zu halten, und trage so gut wie ständig draußen Maske. Aber ich muss halt manchmal längere Strecken mit der Straßenbahn fahren und in den Supermarkt, und danach gibt es oft auch wenige Tage später Alarm auf der Corona-Warnapp. Ich habe nicht übel Lust, sie zu löschen, weil sie mich jedes Mal nervt und erschreckt. Wenn ich in der Bahn sitze, frage ich mich oft, wie viele Menschen um mich herum wohl schon oder noch krank sind, ohne es zu wissen. Oder sich nicht um ihre Infektion scheren, denn Omikron ist ja harmlos. Sicher ist die Dunkelziffer hoch, und kaum jemand hat noch eine Warnapp oder macht noch einen PCR-Test. Bringt ja eh nichts. Und wenn ich bei der kleinen Anzahl von Personen mit Warnapp schon so viele rote Meldungen kriege, sind todsicher verdammt viele Infizierte in meiner Nähe. Kein gutes Gefühl. Schon gar nicht, wenn man einen Menschen, der immunsupprimiert ist, schützen muss. Und es gibt immer irgendjemanden, der die Maske nicht trägt oder die Nase herausragen läßt, und ich traue mich nur selten, etwas zu sagen. Seit einiger Zeit habe ich eine Packung mit Masken dabei und biete sie kostenlos an, aber selbst das kommt nicht bei jedem gut an. „Wenn Sie Angst haben, lassen Sie sich doch impfen. Jeder ist für sich selbst verantwortlich.“
Diesmal fing es ganz anders an, mit leicht geschwollenem Zahnfleisch an einer Seite (hab ich sonst nie) und schmerzendem Zungenrand (hab ich auch sonst nie). Vielleicht ist es ja bloß Vitaminmangel, dachte ich hoffnungsvoll und griff zum bewährten Vitamin C-Pulver, liebevoll aufgelöst und verrührt in einer sprudelnden Multimineral-Brausetablette. Was auch zunächst etwas half. Dachte ich jedenfalls. Doch dann folgte am nächsten Tag auch schon die altbekannte bleierne Müdigkeit, die sich wie eine Mischung aus richtig übler Depression und krassem Jetlag anfühlt. Man ist nahezu kataton, hat zu gar nichts Lust und Kraft, will sich nur verkriechen, die Augen schließen und in Ruhe gelassen werden. Nachts fing dann auch noch der Hals an böse zu kratzen. Ach herrje. Doch Covid? Oder etwa die Grippe? Nein, die Grippe kommt plötzlich, wie auf den Leib geflogen, die hatte ich zweimal in meinem Leben und das war anders. Seit dem zweiten Mal lasse ich mich jedes Jahr dagegen impfen.
„Im Moment grassieren eine Menge Viren“, versuchte die Familie mich zu beruhigen. „Die Kinder sind ja auch überall krank.“ Stimmt, RSV-Viren. Vielleicht war es ja sowas. Einen Tag später kamen plötzlich beim Frühstück heftige Niesattacken dazu, die sich haargenau so anfühlten wie Heuschnupfen, und auch Augen und Nase begannen auf vertraute Weise zu jucken. Ich ertappte mich beim charakteristischen „Allergikergruß“ (Reiben der Nase mit Aufwärtsbewegung der Hand). Vielleicht war es ja tatsächlich nur ein Heuschnupfen? Aber im Oktober? Ich nahm ein Antihistamin, und die Nieserei legte sich. Doch die Nase blieb auf merkwürdige Weise verstopft. Und meine Augen tränten, was sie bei Heuschnupfen nie tun. Und ich hatte eine ganz üble Belastungsinkontinenz wie damals bei Covid und bei allen Postcovid-Schüben. Die Nase war einfach nur zu, genau wie damals, ohne Schnupfensymptome, zum Glück ohne den stechenden Schmerz über der Nasenwurzel, mit dem die Anosmie anfing. Ich testete meine Nase regelmäßig, alles in Ordnung. Schmecken ging auch. Ich hatte nur keinen Hunger.
Meine hochgetunte Körperalarmanlage reagierte offenbar deutlich zuverlässiger und empfindlicher als sämtliche Schnelltests, ich begann gleich bei den ersten Beschwerden mich zu isolieren und zu testen. Mit unterschiedlichen Tests, manchmal sogar morgens und abends. Nichts. Erst am 3. November gab es keinen Zweifel mehr, der positive Balken verfärbte sich morgens früh schon beim Hochsteigen der Flüssigkeit dunkel. Vier Tage lang blieb das so, dann verblasste er und verschwand wieder. Der Omikron-Spuk war offenbar vorbei.
Ich hatte auch diesmal weder Fieber noch Husten, und zum Glück blieb mein Geruchssinn weiterhin völlig intakt. Mehrfach täglich benutzte ich Listerine zum Mundspülen (mache ich auch meistens, nachdem ich Bahn gefahren bin). Ich wollte und durfte meinen Mann auf gar keinen Fall anstecken. Bisher habe ich auch kaum Postcovid-Symptome entwickelt, nur leichte Konzentrationsprobleme und Wortfindungsstörungen. Ganz im Gegensatz zu 2020, als mich angstmachendes Herzrasen und lästige Schweißausbrüche plagten („a poncho of sweat“, wie Hugh Grant es sehr treffend ausdrückte) und üble kognitive Aussetzer.
Damals habe ich übrigens auch meine alte Katze Alice angesteckt, die einmal so schrecklich geniest hat, dass ihr Blut aus der Nase kam. Diesmal war offenbar nur meine Katze Stellaluna betroffen, die immer sehr nah am Gesicht schmust, ihr tränten tagelang die Augen. Es hörte schlagartig am selben Tag auf wie bei mir. Sonst hatten die drei Katzen keinerlei Symptome, waren mir aber ein großer Trost. Sie lagen immer in meiner Nähe und schnurrten beruhigend auf mich ein. Genau wie damals meine Alice.
Omikron hat schon jetzt unzählige Unterarten und Unter-Unterarten, die das Immunsystem und den Impfschutz geschickt austricksen, so dass man auch mehrfach hintereinander infiziert werden kann. Aber man ist hoffentlich nach Impfungen und Infektionen weniger ansteckend. Schlimm wird es, wenn man mehrere Infektionen auf einmal hat. Gegen Grippe bin ich inzwischen geimpft. Mit dem ganz starken Impfstoff für Senioren (zum Glück hatte ich keine Impfreaktion außer ein bisschen Armweh). Mehr kann ich nicht tun. Hope for the best.
Wenn die Pandemie nur endlich vorbei wäre. Und die Klimakatastrophe. Und vor allem der Krieg in der Ukraine. Was mag wohl als nächstes kommen? Hope for the best – and fear the worst.