Eins meiner frühen Kölner Gedichte
Das Treffen
Großstadtwohnung Moltkestraße
gebohnertes Treppenhaus
Lebensmittelgeschäft nebenan
dritter Stock und Herzklopfen
eine durchnässte Frau klingelt
ein junger Mann steht in der Tür
beide suchen nach Worten
„was für eine Überraschung“
bist ja ganz außer Atem“
„vom Treppensteigen weißt du“
„komm doch rein“
„willst du die Tür nicht zumachen“
„leg den Mantel ab bitte
hast eine andere Frisur“
„wo soll ich denn den Schirm“
„ich bring ihn schnell ins Bad“
„werd auch nicht lange bleiben
nur sehen wie es dir geht
hast doch versprochen zu schreiben“
der Mann lächelt verlegen
„stimmt aber ich hatte keine Zeit“
„bist du jetzt glücklich“
„ja wir sind glücklich“ sagt er
sehr schnell und schaut zur Seite
„und wie geht es dir so“
sie streicht sich hastig den Rock glatt
„schön bist du und lachen tust du wie früher“
der Ring an seiner linken Hand
„hast du dich verlobt“
„weißt du denn nicht schon im August
aber jetzt erzähl mal von dir“
sie hat nichts zu erzählen
„ich lebe auch nicht mehr allein“
lügt sie mit offenen Augen
er wird immer nervöser
„du ich will dich nicht rauswerfen
aber sie kommt gleich zurück“
„versteh schon kommst du
noch mit nach unten“
die Treppe riecht nach Bohnerwachs
vor der Haustür ein flüchtiger Stirnkuss
sie versucht nicht zu zittern
spannt draußen den grünen Schirm auf
dunkle Punkte auf hellgrünem Grund
obwohl es zu regnen aufgehört hat
geht blind in die falsche Richtung
sorgsam darauf bedacht sich auf
keinen Fall nach ihm umzudrehen
(Beate Felten-Leidel, 1975)