Niederrhein Rocks: Farbenfrohes in trüben Zeiten

Viele Menschen haben im Moment existentielle und andere richtig schlimme Probleme, sind krank, fühlen sich einsam und verlassen, anderen fällt langsam die Decke auf den Kopf, sie haben Langeweile, sind genervt, haben Angst oder Anflüge von Hüttenkoller, wieder andere sind gereizt, gehen leicht in die Luft, regen sich über Klopapiermangel auf oder kommen nicht damit zurecht, dass sie plötzlich keine Zeit mehr für sich allein haben, sie vermissen ihre Arbeit oder ihre sozialen Kontakte. Oder geliebte Menschen, von denen sie nun getrennt bleiben müssen. Ablenkung tut gut in diesen Tagen!

Aber es gibt auch Menschen, denen die Zeit am Schreibtisch, am Küchentisch oder auch sonstwo in den eigenen vier Wänden weniger ausmacht. Ganz im Gegenteil, manche schaffen es sogar, sich fantasievoll mit der neuen Situation auseinanderzusetzen und erfolgreich zu „kreativieren“. Malend, zeichnend, fotografierend, bastelnd, singend, musizierend, schreibend gehen sie die düstere Weltlage an. Kunst und Fantasie können besonders in diesen Zeiten so tröstlich, beruhigend und heiter sein!

 

 

Als Schriftstellerin und Übersetzerin habe ich zum Glück kein Problem damit, „eingesperrt“ zu sein. Wenn man fast sein ganzes Leben allein am Schreibtisch zwischen Bücherstapeln und schlafenden Katzen in Wörterbüchern verbracht hat, macht einem auch ein wochenlanger  Lockdown wenig aus. Ist doch eigentlich wie immer! Alles, was man braucht und mag, hat man ja! Wenn man arbeitet oder „kreativiert“, kann man abschalten, Ideen sammeln, sich treiben lassen und die Gedanken auf Reisen schicken.

Erst wenn man die Nachrichten hört oder aufsteht und nach draußen geht, merkt man wieder, dass unser Leben aus den Fugen geraten ist, dass die Straßen und Läden gähnend leer sind und die Menschen Masken tragen und einander aus dem Weg gehen. Dann kann es passieren, dass man traurig wird, Angst bekommt und fast den Mut verliert. Doch zurück in den eigenen vier Wänden legt man gleich los mit neuen Projekten. Über Instagram sehe ich die Früchte der „eingesperrten“ Fantasie und Kreativität in aller Welt und staune täglich aufs Neue.

In den nächsten Tagen möchte ich hier einige Menschen vorstellen, die sich nicht unterkriegen lassen und auch jetzt noch versuchen, Farbe und Freude in ihren und unseren trüben Corona-Alltag zu bringen.

Heute haben mir die „Steinfrauen“ der Gruppe „Niederrhein Rocks“ erlaubt, einige ihrer Werke zu zeigen. Zum Mutmachen und Trösten für alle Hüttenkollerigen: Schaut euch an, was man alles tun kann mit ganz wenigen Mitteln in Zeiten von Corona, und vielleicht macht das ja auch den Kindern Spaß!

„Steinsucht“ (auch bekannt unter dem Namen „American Rock Fever“) paßt gut in diese Zeit, denn sie ist ebenfalls ansteckend, aber im besten Sinne. Im Moment ist es vielleicht ratsam, die Steine nur für sich selbst oder für den eigenen Garten zu bemalen statt sie in freier Wildbahn „auszuwildern“ und finden zu lassen. Das mache ich übrigens schon seit langem. Meine Steine liegen alle draußen zwischen den Büschen oder draußen auf der Fensterbank, zuerst sind sie bunt und leuchtend, dann verlieren sie langsam ihre Farben, werden immer blasser, und schließlich sammele ich sie ein und bemale sie neu. Ich verwende Plaka Farbe und favorisiere als Stil das australische „Dot Painting“, aber feiner und subtiler geht es natürlich mit Acrylfarbe. Wenn meine Enkel Lust haben, malen wir auch gemeinsam. Bei Draußen-Steinen trägt man zum Schluss noch eine Schicht Bootslack oder Klarlack auf, damit sie nicht zu schnell ausbleichen.

Seit es im Fernsehen eine Sendung über die „Niederrhein Rocks“ gab, kommen täglich neue „Rocker“ und „Rockerinnen“  in die Gruppe, weil sie schnell merken, wie entspannend das Bemalen von Steinen ist. Probieren Sie es selbst, sicher sind Sie talentierter als Sie ahnen! Auch für Kinder ist es toll, wenn sie ihre schönen Steine auf der Fensterbank liegen sehen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt! Alles ist schön! Man kann sie auch einfach nur beschreiben mit mutmachenden Sätzen.

Einige von Angelikas Danke-Steinen

Meine Freundin Angelika bemalt schon seit einiger Zeit Steine in dieser Gruppe. Vor der Pandemie wurden alle Mini-Rocks liebevoll „ausgewildert“ und meist schnell begeistert gefunden, und sicher gibt es am Niederrhein inzwischen Leute, die gezielt beim Gassi gehen oder Spazieren danach Ausschau halten. Man kann die kleinen Fundstücke entweder behalten und als Dekogegenstand nutzen, an Freunde und Verwandte verschenken oder einfach wieder neu „auswildern“ und beobachten, wo sie irgendwann landen. Letzteres ist im Moment vielleicht nicht so gut, aber es gibt ja eine Zeit nach Corona, und dafür ist ein kleiner Steinvorrat ideal!

In diesen Tagen malen Angelika und viele andere „Danke-Steine“ für Verkäuferinnen und Kassiererinnen, für Krankenhauspersonal und für viele andere Menschen, die bei uns „den Laden am Laufen“ halten. Vor dem Verschenken werden die Mini-Rocks vorsorglich gereinigt und manchmal auch in Cellophan verpackt. Wenn man die Steine nach der Beschenkung noch mal mit Seife wäscht, sind sie garantiert ungefährlich und übertragen nur die Kreative Steinsucht. Bei den eigenen Steinen erübrigt sich diese Reinigungsprozedur natürlich. Übrigens habe ich noch nie gehört, dass Steine Viren übertragen und würde mir da keine Sorgen machen, aber egal. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Oder in diesem Fall der Steinsammlung. Ich jedenfalls finde all diese munteren Rocks wunderschön und bedaure, dass ich sie heute nicht alle zeigen kann. Aber dafür reicht der Platz leider nicht. Ich kann ja irgendwann einen weiteren Beitrag dazu schreiben, denn es kommt täglich Nachschub.

Folgendes steht in der Facebook-Info der „Niederrhein Rocks“ und gilt für Normalzeiten ohne „Sie wissen schon was“: „Mit dieser Gruppe möchte ich einem amerikanischen Trend folgen: Stein suchen, säubern, bemalen, rückseitig beschriften, auswildern und hoffen, dass ihn jemand findet, dem er eine riesige Freude bereitet. Und mit etwas Glück wird er von jemandem gefunden, der ihn hier postet.“

 

Veröffentlicht unter Kunst, Niederrhein | Verschlagwortet mit , , , , , | 2 Kommentare

Kölner Westen – zum Tod von Dieter Höss

Am Samstag fand ich im Kölner Stadt-Anzeiger die Todesanzeige des Schriftstellers Dieter Höss, der am 11. März verstorben ist, und war einfach nur traurig. Wie bei allen Todesanzeigen in diesen Tagen las ich auch hier den schrecklichen Satz „Die Trauerfeier in Köln kann wegen des Coronavirus nicht stattfinden“. In der jetzigen Ausnahmezeit können Verstorbene nicht mehr gemeinsam betrauert werden. Auch Dieter nicht. Wir waren nicht nur Kollegen, sondern auch gute Bekannte. Dieter war ein bemerkenswerter Mensch, witzig, klug, freundlich und überaus warmherzig. Ursprünglich stammte er aus dem Allgäu und wurde am 9. September 1935 in Immenstadt geboren. Nun ist er dorthin zurückgekehrt, zurück ins Land seiner Väter („Zurückgekehrt ins Land meiner Väter? Dass ich nicht lache. Das ganze Land zwischen Iller und Immach hat immer Baronen und Grafen gehört“).

Wie oft hat er mich im Laufe der Jahre abgeholt, und wir sind gemeinsam zu den Treffen des Kölner Schriftstellerverbands gefahren. Auf der Fahrt haben wir meistens über Schottland und England geplaudert, manchmal hat er auch lustige Geschichten über seinen Hund erzählt. Bei den Treffen saßen wir stets nebeneinander und anschließend unterhielten wir uns über den Abend und über gemeinsame Bekannte, während Dieter mich durchs dunkle Köln sicher zurück nach Hause fuhr. Er wohnte in Junkersdorf, also eigentlich nur um die Ecke, und trotzdem haben wir uns nie richtig besucht, obwohl wir es immer vorhatten. Jetzt ist es zu spät. Wie erschreckend schnell das geht, wird mir wieder einmal mehr bewußt. Wenn wir uns trafen, haben wir viel miteinander gelacht, und sein feiner, spöttischer (ziemlich britischer) Humor, seine subtile Schlagfertigkeit sowie seine unverwechselbare Stimme werden mir und ganz sicher vielen Menschen fehlen. Von seinen liebevoll gestalteten Büchern habe ich natürlich etliche, ganz besonders mag ich die lustigen „Hai-Kuhs“ und den Rückblick auf seine Kindheit. Wir waren verblüfft, als wir feststellten, dass wir beide als Kinder „Les Preludes“ von Liszt mochten. Ich fand die Musik damals so schön, dass ich sie sie ganz laut abspielte und mich von den Klängen begeistert davontragen ließ. Plötzlich stürzte meine Mutter ins Zimmer und schrie: „Mach das sofort aus! Das haben die Nazis immer gespielt!“ Ich war entsetzt, und das Stück war danach nie mehr dasselbe. 

Schottland (BFL)

Vielen Kölnern ist Dieter Höss wohl noch als „King of Limericks“ bekannt, denn Limericks waren seine ganz besondere Spezialität, und viele Jahre lang erschienen seine kleinen Kunstwerke wöchentlich im Kölner Stadt-Anzeiger. Seine Bücher hat er mit feinem Strich selbst illustriert, denn er war von Hause aus Grafiker. Seine Gedichte erschienen in zahlreichen Zeitschriften, u.a. „Stern“, „Die Zeit“ und „Pardon“. Für meinen Köln-Roman hat Dieter der kleinen Hauptperson, die ein echter Fan von ihm ist, sogar extra zwei Haikus gedichtet. Marigard hat sich wahnsinnig gefreut und ist sehr stolz auf ihre eigenen Gedichte. Noch zu Weihnachten hat Dieter mir geschrieben, und nie hätte ich damit gerechnet, dass er so schnell für immer fort sein würde. Jetzt ist er plötzlich und unerwartet gestorben. Er wird mir fehlen.

Veröffentlicht unter Köln, Lyrik | Verschlagwortet mit , , , | Schreib einen Kommentar

Kölner Westen – Wenn am Himmel die Stääne danze

Nachthimmel (pixel2013/pixabay)

Gestern Abend um 21:00 Uhr sang (fast) ganz Weiden „In unserm Veedel“, und diesmal habe ich endlich auch etwas gehört an der überbreiten Aachener Strasse, denn es gibt zum Glück immer mehr Weidener, die mitmachen, jetzt auch in meiner Nähe. Dazu beigetragen hat, dass der Hausmeister der Schule in unserer Nachbarschaft mit seiner Übertragungsanlage geholfen hat. Vielen Dank! Eine Nacht vorher war hier noch NICHTS zu hören und wir haben uns sehr einsam gefühlt.

Auch beim Glockenläuten (um 19:30 Uhr) hat sich die Reaktion gestern verbessert, denn diesmal stand ich nicht allein mit meinem Mann an der Straße. Auf der anderen Seite erschien eine Nachbarin, öffnete ihr Fenster und versuchte ebenfalls, den Glocken zuzuhören, und zwischendurch haben wir uns zugewunken. Leider lärmten ausgerechnet zur Glockenzeit besonders viele Autos vorbei, die alles übertönten. Ich bin mir nicht sicher, ob hier auch die Glocke der Evangelische Kirche schon mitläutet.

St. Michael, Belgisches Viertel (BFL)

Der Moment, in dem die Glocken zu läuten anfangen, berührt mich jedesmal. Es fühlt sich archaisch an, uralt, tröstlich, vertraut, heimatlich, kinderzeitlich. Schade, dass meine „Seelenkirche“ St. Michael nicht hier in Weiden steht. Als ich noch im Belgischen Viertel wohnte (immerhin 14 Jahre), war das Läuten ein fester Bestandteil meines Tages. Wenn die Autos doch nur kurz stehen bleiben würden, wenn die Glocken läuten. Vielleicht gehe ich heute Abend in den Garten, denn unsere Büsche filtern den Straßenkrach. Aber dann kann ich der Nachbarin nicht zuwinken, falls sie wieder ans Fenster kommt. Jammerschade, dass man den Dom nicht bis zu uns hören kann. Ob es eine Übertragung im Radio oder online gibt? Dann könnte ich mein Laptop vor die Haustür stellen und richtig aufdrehen.

Fenster in Kevelaer (BFL)

Heute Abend um 18:00 Uhr spielen hier in Köln übrigens viele Musiker von ihren Fenstern oder Balkonen aus „Freude schöner Götterfunke“. Aber ob ich davon etwas mitbekomme? Vielleicht stellt ja anschließend jemand auf fb ein Video ein, so wie gestern mit „In unserm Veedel“.

Später, diesmal um 20:00 Uhr (aktuelle Terminänderung),  singen wir „Stääne“, und darin kommen auch Glocken vor. Das wird bestimmt wieder emotional, aber Kölner haben kein Problem damit,  Gefühle zu zeigen, und wir haben hier so viele schöne Lieder und tolle Gruppen, dass man damit auch eine längere Quarantäne durchstehen kann. Das Lied heute Abend ist von den Klüngelköpp.

 „Wenn am Himmel die Stääne danze
Un dr Dom sing Jlocke spillt
Jo dann weiß ich dat ich doheim bin
Jo doheim bin heh am Ring“

Um 21:00 Uhr folgt dann Radio Köln mit „In unserm Veedel“, da hat Weiden vor, ebenfalls mitzumachen. Also ein gesangvoller Sonntag.

Ich bin “nur“ ein Immi, gleich nach der Schule hergezogen, aber viele meiner Vorfahren kamen aus Köln, und etliche Verwandte wohnten hier. Mir war immer klar, dass ich eines Tages nach Köln ziehen würde. Seit langem bin ich hier zu Hause. Wenn ich von irgendwoher zurückkomme und in der Ferne den Dom sehe, atme ich tief durch und bin froh. Auch nach so vielen Jahrzehnten noch. Jo dann weiß ich, dat ich doheim bin, jo doheim bin heh am Ring.

Coronaleere Evangelische Kirche Weiden (BFL)

Heute ist Sonntag. Viele Weidener wären heute morgen in ihren Kirchen gewesen. Das ist jetzt leider nicht mehr möglich. Noch vor wenigen Wochen hätte ich mir das nicht vorstellen können. Keinen Menschen mehr sehen! Keinen mehr treffen! Solidarität zeigen, indem man sich voneinander fernhält! Social Distancing als lebensrettende Maßnahme!

Doch die Kirchen lassen ihre Gläubigen auch jetzt nicht allein, nicht nur das Glockenläuten erinnert daran. Seit dem 15. März sind alle Gottesdienste abgesagt. Wie kann man da noch Gemeinde sein und gemeinsam Gottes Wort hören, Trost finden und trösten? Der Pfarrer unserer evangelischen Gemeinde hatte da eine schöne Idee: die „Oasen-Worte in Wüsten-Tagen“. Wer mitmachen möchte, kann einen kurzen Text mit seinen Gedanken aus dem eigenen Corona-Alltag und einem „guten Wort“ als Audio-Datei auf der Website der Gemeinde (ev-kirche-weiden.de) einstellen. So können wir auch in dieser schweren Zeit verbunden bleiben und einander hören und uns gegenseitig Mut zusprechen.

Schmuckmadonna im Dom (BFL)

Vielleicht haben ja die katholischen Gemeinden hier in Weiden auch Wege zueinander gefunden? Ich selbst bin katholisch aufgewachsen, war lange kirchenlos und bin jetzt evangelisch, ich bin also „bi-religiös“ und froh, dass ich auch die alten katholischen Rituale kenne. Ich kann mich noch gut erinnern, wie die Frauen in meiner Familie bei Problemen, Unwettern und in Zeiten großer Krisen „zu Maria gingen“ und Kerzen anzündeten. Vor allem, wenn geliebte Menschen krank waren, im Sterben lagen oder gerade verstorben waren. Hier in Köln gibt es gleich zwei berühmte Marien-Kraftorte, die Schmuckmadonna im Dom und die Schwarze Madonna in St. Maria in der Kupfergasse.

Vor der Schmuckmadonna (BFL)

Beide sind alte Pilgerorte, nicht nur in Zeiten der Not, und es hat in der Tat etwas Tröstliches, für sich selbst oder für liebe Menschen in Gefahr eine Kerze dort zu entzünden und sich still auf eine der Bänke zu setzen, die flackernden Lichter zu betrachten und denen, um die man sich sorgt, gute Gedanken zu schicken. Es ist aber auch schön, dorthin zu gehen, um sich zu bedanken, wenn alles gut gegangen ist, oder Trost zu finden, wenn man Schlimmes erfahren hat oder die schlimmsten Befürchtungen wahr geworden sind. Am Niederrhein hatte damals so gut wie jede Familie eine Marienstatue, meist in Form der Schutzmantelmadonna. Ich habe die alte Statue meiner Eltern geerbt, die ein Holzschnitzer in den Dolomiten vor vielen Jahren eigens für meinen Vater gemacht hat.

Der Dom bietet auf seiner offiziellen fb-Seite die schöne Möglichkeit, auch aus der Ferne eine Kerze anzuzünden. Jeden Morgen werden die vielen Gebete und Bitten der Menschen mitgenommen. In den Dom, zu den Kerzen, zu Maria. Es ist bewegend, die Gedanken der Menschen zu lesen. Menschen aus aller Welt haben dort geschrieben, was sie bekümmert in diesen Tagen.

Schwarze Madonna, Köln (BFL)

Ob man auch bei der Schwarzen Madonna aus der Ferne Kerzen anzünden kann, weiß ich nicht. Ihre Kerzen sind noch „wie früher“, lang und weiß, und man kann sie vor dem kleinen Raum, in dem sich die Statue befindet, anzünden. Schwarze Madonnen oder Schwarze Göttinnen gelten als etwas Besonderes, und ich habe dies noch nie so stark gespürt wie in der dämmrigen, unheimlichen Grotte der Schwarzen Sara im französischen Saintes Maries de la Mèr. Ich kann gut verstehen, dass die Frauen in meiner Kindheit zu Maria beteten. Wie oft ging Oma (die selbst Maria hieß) mit mir „ein Kerzken anmachen“. Ich durfte dann den Docht an einer anderen Kerze entzünden und unsere Kerze vorsichtig in einen der vielen schwarzen Ständer stellen. Und im August pilgerte der ganze Ort nach Kevelaer. Zu Fuß. Mit Blasen unter den Füßen. Ich fand es ziemlich beschwerlich, aber ich liebe Kevelaer.

Kerzen bei der Schwarzen Madonna (BFL)

 

Veröffentlicht unter Corona, Köln | Verschlagwortet mit , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

Kölner Westen – Frühling in Weiden

Auf dem Weidener Friedhof (BFL)

Nach der harten letzten Woche voller Live Ticker, Schreckensmeldungen und sich überschlagender Corona-Updates habe ich heute einfach nur noch das Bedürfnis, nach draußen in den Garten und hinaus in unser blühendes Veedel  zu schauen.

Auf den ersten Blick sieht alles aus wie immer, friedlich und freundlich, nur dass es heute kälter ist als in den letzten Tagen. Es ist windig, und es soll sogar Frost geben. Die Magnolie am Emil- Schreiterer-Platz blüht genau so üppig wie jedes Jahr, auch meine kleine Sternmagnolie im Garten gibt sich richtig viel Mühe, obwohl sie aus Platzmangel nur in einem Kübel steht. An der Weidener Kirche sprießen eindrucksvoll die leuchtend roten Blätter der Glanzmispeln wie kleine Feuerspieße in die Höhe, und überall entdeckt man pralle Knospen und junges Laub. Doch die Menschen sind ernst, und fast alle bleiben hier in Weiden in ihren Wohnungen und Häusern. Heute hat zu meinem Kummer kaum jemand zurückgelächelt. Vielleicht stimmt meine Theorie vom freundlicheren Miteinander doch nicht. Wäre schade.

bei „Garten Müller“ (BFL)

Ganz habe ich gestern das Zuhausebleiben nicht geschafft, zu groß war das Bedürfnis, schnell noch etwas Blühendes ins Haus und in den Garten zu holen, und den Büschen vor dem Haus, die das ganze Jahr lang die Abgase der Aachener Straße ertragen müssen, einen ordentlichen Dünger zu spendieren. Eine meiner Glanzmispeln hat viele dunkle Flecken auf ihren Blättern und verlangt dringend nach einer kleinen Frühlingskur. Die Garten Center sind ja zum Glück noch geöffnet, doch wenn die Ausgangsbeschränkungen weiter zunehmen, ist es für einen Besuch zu spät.

Also waren wir kurz bei „Garten Müller“. Ich habe etliche Fotos gemacht, wollte die ganze Frühlingspracht irgendwie festhalten und mit nach Hause nehmen. Am großen Teich lärmten die weißen Gänse, und überall standen und hingen blühende Pflanzen. Ein bisschen hat es sich wie Abschied angefühlt. Aber das Gefühl hatte ich auch schon, als wir auf dem Friedhof waren und die Narzissentuffs bewundert haben. Wie würde die kleine Anna in dem Buch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ sagen? „Aufwiedersehen, Narzissen! Aufwiedersehen, Bäume! Aufwiedersehen, kleines Eichhörnchen!“ Die Bäume an der Igny-Straße waren bunt vor Gießkannen. „Aufwiedersehen, ihr Bäume mit den Gießkannen!“ Alles wirkte fröhlich und beschwingt. Nur die Menschen nicht.

bei „Garten Müller“ (BFL)

Am liebsten hatte ich bei „Garten Müller“ einen ganzen Lieferwagen voller Blumen mitgenommen, doch aus Vernunftgründen kaufte ich dann doch nur ganz gezielt die Blumen, mit denen ich die Lücken in den Kästen vorübergehend schließen kann. Es tut mir gut, dem Elend der Welt jetzt etwas Buntes und Lebendiges entgegenzusetzen. Wahrscheinlich würde ich auch noch am allerletzten Tag ein Bäumchen pflanzen. Ganz bestimmt würde ich das!

Danach war ich einige Stunden draußen im Garten, habe gekehrt und die Beete etwas aufgeräumt. Die ersten Clematisknospen sind schon zu sehen, leider auch die riesige Giersch-Monokultur, die sich in unserem Garten immer breiter macht und alles erstickt und durchwuchert. Aber egal, der Giersch ist jung und grün, und notfalls kann man ihn als Salat essen. Ansonsten sind wir keine Selbstversorger, was mir im Moment fast leid tut. Vielleicht kaufe ich, wenn es wärmer wird und dann noch möglich ist, ein paar Tomaten- und Gurkenpflanzen? Der Reiher, der unseren Teich schon so oft leergefischt hat, soll tot sein, hat mir jemand auf Facebook mitgeteilt.

Gestern Abend war hier bei uns vom Kölner Klatschen nichts zu hören, nur auf der Gartenseite erklangen fußballfeldartige „Töne“, wohl aus den hohen Häusern gegenüber vom Einkaufscenter. Vielleicht wird es ja heute Abend etwas lebendiger? Vielleicht sogar schon beim Glockenläuten um 19:30 Uhr? Oder igeln sich die Leute direkt an der Aachener Straße besonders ein? Früher gab es genau gegenüber eine nette alte Dame, die mir immer zugewunken hat, wenn sie mich am Fenster meines Arbeitszimmer sah. Sie saß viel am Fenster und hatte ein wenig Ähnlichkeit mit meiner Oma, doch das ist schon lange her. Ich glaube, sie hieß Frau Blücher, aber sicher bin ich mir nicht.

Robin (BFL)

Auf der offiziellen Dom-Seite habe ich eben entdeckt, dass man von zu Hause aus und sogar aus aller Welt an einem der für mich mächtigsten Kraftorte Kölns, bei der Schutzmantelmadonna, eine Kerze anzünden kann. Wie gut, dass ich voriges Jahr in Kevelaer war (dort hatte ich eine Lesung) und Fotos gemacht habe. Ich habe auch Bilder von der Schutzmantelmadonna. Als Kind hat meine Oma mich immer mit in die Marienandachten genommen und wir haben die schönen Lieder gesungen. Vor allem im Mai. Dann bekam Maria bei mir im Kinderzimmer sogar einen kleinen Altar. Und vor den Mathematikarbeiten (ich bin mathematisch tiefbegabt) habe ich immer zu ihr gebetet und hatte sogar eine Karte mit ihrem Bild unter meinem Heft liegen. Die Mathe-Schwester dachte natürlich, ich würde pfuschen, aber als sie sah, wer da unter meinem Heft lag, strich sie mir nur mitleidig übers Haar und ließ mich fortan in Ruhe. Bei der Kölner „Schmuckmadonna“ habe ich schon häufig gesessen und nachgedacht. Nicht nur, wenn ich Probleme hatte. Eigentlich immer, wenn ich vorbei kam. Ich habe vor ein paar Jahren auch Bilder von der Schwarzen Madonna in Köln gemacht. Aber nicht heute. Vielleicht morgen. Morgen ist Sonntag. Mein heutiger Beitrag soll vor allem den Blumen und Blüten gehören.

Schade, dass man darin die Vögel nicht singen hören kann. Vorn an der Straße tschilpen die Spatzen, eine ganze Familie hat sich da versammelt, und sie schreien, dass man fast Kopfschmerzen bekommt. Hinten schmettert neuerdings frühmorgens ein Zaunkönig und etwas später die Amsel. Das Rotkehlchen ist momentan leise, kommt aber regelmäßig ans Futterhaus, und auch die Mönchsgrasmücke, die sonst immer für mich singt, wenn ich draußen bin, hält momentan den Schnabel. Leider. Die Vögel haben es gut. Sie können fliegen, wohin sie wollen. Sie wissen nichts von den momentanen Nöten der Welt. Ob ihnen auffällt, dass Köln ruhiger und leerer ist als sonst? Vielleicht singt die Mönchsgrasmücke morgen wieder für mich. Morgen ist ja Sonntag.

Bei „Garten Müller“ (BFL)

 

 

Veröffentlicht unter Corona, Köln | Verschlagwortet mit , , , , , | Schreib einen Kommentar

Kölner Westen – Ausgangssperre und Social Distancing

Evangelische Kirche Weiden  (BFL)

Ein neuer Begriff, doch schön ist er nicht: Social Distancing. Ich hoffe, wir sind in Köln reif und altruistisch genug, um jetzt gemeinsam stark zu sein, Distanz zu wahren und die Schwächsten unter uns zu schützen, auch wenn es noch so weh tut. Hier in Weiden habe ich bisher zum Glück noch keine grillenden Gruppen entdeckt, die ausgelassene Corona Partys feiern, aber ich bin auch die meiste Zeit zu Hause und weiß es daher nicht wirklich genau. Wir bleiben vermehrt drinnen, und draußen müssen wir Abstand halten. Sehr ungewohnt in einer Großstadt, in der Menschen sonst wie Ölsardinen aufeinander hocken.

Weiden „Römergrab“ (JL)

Schon in der Bahn fängt es normalerweise an, und oft genug ist es laut und lästig. Aber jetzt sind die Straßen wie ausgestorben, die Bahnen leer, und man wagt nicht mal mehr, sich an den Stangen festzuhalten oder den Halteknopf zu drücken. Unser öffentliches Leben kommt allmählich zum Erliegen. Köln wird zur Ghost Town. In einigen Teilen Deutschlands treten bereits stärkere Einschränkungen in Kraft. Aber noch gibt es keine „Ausgangssperre“.

Warum erinnert mich das Wort jetzt sofort an meine Mutter und an „Stubenarrest“ und „Hausarrest“? Meine Mutter hat das damals in der Nachkriegszeit tatsächlich so genannt. (Sorry, Mama, ich hab dir das alles längst verziehen.)  „Ausgangssperre“ habe ich gehaßt, weil ich dann meine Freundinnen und später leider auch meinen ersten Freund nicht sehen durfte. Es war so demütigend! Da standen sie unten erwartungsvoll an der Haustür, um mich abzuholen, und ich saß brav und stinksauer oben in meinem Zimmer, kämpfte mit den Tränen und fühlte nur stolzen Trotz und hilflose Wut, konnte aber gegen den mütterlichen „Befehl“ nichts machen.

Shelfie (BFL)

Meine Schwester war weniger kooperativ und hat sogar mal den Glaseinsatz ihrer Zimmertür eingetreten, um einfach abzuhauen, aber wir waren vom Temperament her auch extrem unterschiedlich. Bei ihr zog „Ausgangssperre“ nicht. Ich habe sie dafür sehr bewundert. Zum Glück war ich eine Leseratte und hatte schon damals Regale voller Bücher in meinem Zimmer, daher hat mir die Isolation im Grunde wenig ausgemacht. Das hat wiederum meine Mutter extrem geärgert, was mich gefreut hat. Auf die Idee, meine Regale leer zu räumen, ist sie zum Glück nie gekommen. Wäre wohl auch zu viel Arbeit gewesen. Heute habe ich noch viel, viel mehr Bücher. Sie reichen für zehn Jahre „Ausgangssperre“, und danach wäre ich dann ein Ausbund an Weisheit und Belesenheit. Übrigens höre ich plötzlich auch wieder Wörter, die Väter in der Nachkriegszeit oft benutzten. Begriffe wie „Lazarett“ und „Triage“. Schlimme Wörter. Angstbesetzt, jedenfalls bei mir.

Was mir angenehm auffällt: Die Menschen schauen sich plötzlich wieder an, lächeln einander häufiger zu, sprechen miteinander. Auch wenn es nur „Schlimme Zeiten, finden Sie nicht?“ ist. Dann nickt man dem anderen zu, lächelt und geht weiter. Wir sind im Moment höflicher miteinander, würdigen endlich Menschen, an denen wir sonst nur achtlos vorübergehen. Gestern in den Läden habe ich mich jedenfalls bewußt bei allen Kassierinnen dafür bedankt, dass sie jetzt in der Not für uns da sind und für uns arbeiten, denn sie haben im Moment enorm viel Stress und sind, wie ich schon gestern schrieb, auch gesundheitlich gänzlich ungeschützt. Ob man sie nicht doch besser abschirmen sollte? Ich habe gestern auch überall mit Karte bezahlt, damit sie mein Geld nicht anzufassen brauchten. Ach, es wäre schön, wenn die Menschen sich auch in Nach-Corona-Zeiten häufiger anlächeln würden, statt wortlos auf Smartphones zu starren. Obwohl: Hier in Weiden habe ich an „meiner“ Haltestelle schon etliche nette Leute kennengelernt im Laufe der Jahre.

Völlig am Ende (Jasmin Sessler/unsplash)

Es gibt auch Personen, die nur laut maulend durch die Gegend laufen. Wenn ich so jemanden treffe (wie gestern im Center), versuche ich mir vorzustellen, dass die Person vielleicht in Wirklichkeit Angst hat und sich im Moment nicht anders zu helfen weiß. Aggression und Wut setzen Angst nämlich temporär höchst erfolgreich außer Kraft. Wer sich lautstark aufregt, spürt seine Angst nicht mehr und wirkt nach außen stark und aggressiv. Das ist besonders bei Kontrollverlust wichtig. Das Muster kenne ich bestens aus meiner Ursprungsfamilie, mein Vater hat auf diese Weise lebenslang versucht, mit seinem Kriegstrauma fertig zu werden. Für die Umwelt ist ärgerliches Schimpfen nicht sehr prickelnd.  Auf meine freundliche Ansprache hin haben die Damen gestern übrigens gleich zu maulen aufgehört. Sie ärgerten sich, wie sollte es anders sein, über das Fehlen unseres momentanen Weltlieblings. Klopapier!!!!

Milde Gabe (Martin Sanchez/unsplash)

Was mir an mir selbst auffällt: Ich beobachte mich noch stärker als ohnehin schon. Diese erhöhte Selbstbeobachtung ist bei mir leider einprogramiert, ich habe meinen Körper schon als Kleinkind störend genau wahrgenommen. Seit ich weiß, dass es zur sogenannten „Hochsensibilität“ dazugehört, kann ich damit umgehen. Aber als Kleinkind hat mir das Schlagen und Wummern des eigenen Herzens solche Angst gemacht (ich kann auch nicht gut auf der linken Seite schlafen, weil die Empfindung dann zu stark ist), dass ich dachte, ich würde jeden Moment tot umfallen (was das Herz erst recht zur Raserei brachte!). Auch jetzt muss ich wieder vermehrt gegensteuern, wenn es los geht: Leichte Kopfschmerzen? Halskratzen? Irgendwie kurzatmig? Ist das Heuschnupfen? Oder etwa …..? Nase zu und juckende Augenwinkel? Das ist eindeutig Heuschnupfen! Aber fliegen die Birkenpollen überhaupt schon? Ich registriere auch genau, wann ich mir ins Gesicht fasse (fast gar nicht mehr), und versuche auch das zu unterlassen, was man bei Heuschnupfensymptomen fast automatisch macht: Nase reiben. Es gibt dafür sogar eine eigene Bezeichnung „Allergikergruß“.  Auch juckende Augenwinkel kann man nur schwer in Ruhe lassen. Eine Sonnenbrille mit möglichst dunklen Gläsernd wirkt Wunder und reduziert Augenstress und Polleneinfall gleich um 50 Prozent (bei mir jedenfalls), daher trage ich meine jetzt auch konsequent. Besonders gut sind Polarisationsgläser, sie beruhigen die Augen sozusagen sofort.

Eben war ich Punkt zwölf (High Noon!) draußen, um eventuell den Glocken aus der Ferne zuzuhören (manchmal höre ich sie bis in den Garten), aber ich habe leider keinen Ton gehört. Vielleicht läuten sie hier in Köln oder bei uns in Weiden um diese Zeit auch gar nicht, aber vielleicht waren heute auch die Autos zu laut. Es gab leider auch niemandem, dem ich zuwinken konnte. So stand ich nur einsam am Zaun. Schade. Vielleicht wirken die Autos auch nur lauter, weil ich sie anders wahrnehme. Gestern war es ja vergleichsweise still. Morgen versuche ich es wieder! Vor allem beim Abendläuten um 19:30 Uhr.

Englische Enkel (BFL)

Letzte Nacht hatte ich einen Traum, der mich traurig macht. Unsere englischen Enkel waren mit ihren Eltern bei uns zu Besuch (eigentlich wollten sie wie jedes Jahr zu Ostern kommen). Wir befanden uns alle im selben Zimmer, merkwürdigerweise war es das Wohnzimmer meiner verstorbenen Eltern am Niederrhein und nicht unser Wohnzimmer hier in Köln. Die Kinder standen auf der anderen Seite des Raums, direkt an der Tür und sahen aus, als würden sie am liebsten weglaufen. „Wie am Notausgang“, schoss es mir durch den Kopf. Mein Mann und ich saßen auf dem Sofa. Keiner sprach, wir schauten uns nur an. Unsere beiden Enkel waren sehr viel jünger als sie in Wirklichkeit sind, fast noch Kleinkinder, das Mädchen hatte sogar wieder die süße Zahnlücke (ich weiß noch, wie schlimm es damals für sie war, in einen Apfel zu beißen, denn es fehlten ihr gleich beide oberen Schneidezähne!). Die Kinder wirkten verwirrt und verlegen. Offenbar hatten sie Angst, uns zu nahe zu kommen. Vielleicht fürchteten sie, uns anzustecken und in Gefahr zu bringen, aber vielleicht  hatten sie auch Angst vor uns. Auf jeden Fall waren sie überaus verstört. Es tat mir in der Seele weh, und ich wollte gleich zu ihnen laufen und sie in die Arme schließen, sie auf den Schoß nehmen, leise und beruhigend mit ihnen sprechen. Sagen, dass alles in Ordnung ist, dass sie keine Angst haben müssen, dass es nur ein blöder Traum ist und Corona rubbish. Aber ich saß nur wie gelähmt da und hätte am liebsten geheult.

Ein Bett voller Katzen (BFL)

Mit dem Gefühl trauriger Hilflosigkeit wachte ich auf und konnte zunächst nicht wieder einschlafen. Also nahm ich mein Handy und las die neuesten Artikel in der „New York Times“. Nicht wirklich erhebend, denn das eine Thema hält weiterhin die Welt in Atem, aber irgendwas musste ich tun. Die Berichte über den klügsten Präsidenten aller Zeiten schafften es dann aber doch wieder, mich zum Lachen zu bringen. Seine alternative facts sind einfach unschlagbar! Merkwürdigerweise beruhigt mich Zeitunglesen (vor allem über die neuesten Äußerungen von Sie wissen schon) in so einer Situation mehr als stundenlang mit klopfendem Herzen im Bett zu liegen. Wenn ich schon nichts tun kann, dann bin ich wenigstens informiert. (Wie im Flugzeug: Ich sitze auch bei Nachtflügen am liebsten am Fenster und schaue hinaus ins Dunkel, obwohl ich nicht das Geringste sehen kann.) Irgendwann kam meine Katze Alice zum Kuscheln und dann kam ich auch wieder zur Ruhe. Kehliges Katzenschnurren ist eine der besten Einschlafhilfen. Wie schade, dass wir nur noch eine Katze haben. Als es noch vier waren, lag ich nachts in einer wohligen Schnurrwolke, Stereo am Kopf und an den Füßen (ich konnte mich dabei allerdings nicht mehr wirklich gut bewegen). Allein die Erinnerung stimmt mich gerade heiter. Es sah mit Sicherheit total bescheurt aus. Mein Cisco ringelte sich meistens um meinen Kopf wie eine gigantische silbergraue Fellmütze. Gelegentlich biss er mich in die Haare, nie hart, nur ein bisschen. Bei Katzen nennt man das „Liebesbiss“.

Die erzwungene Trennung von Enkeln und Großeltern kann extrem schmerzhaft für alle Beteiligten sein und ist für viele sicher kaum erträglich. Ich weiß noch, wie schlimm ich es fand, als meine Oma, die lange meine wichtigste Bezugsperson war, plötzlich nicht mehr da war. Sie war gestorben, hat mir unendlich gefehlt, und ich konnte nicht begreifen, warum sie nicht mehr da war. Das passiert hier im Moment – zumindest vorübergehend – millionenfach. So viele Kinder werden gerade von ihre Großeltern getrennt und verstehen die Welt nicht mehr! So viele Großeltern vermissen ihre Enkel, dass es weh tut, und würden sie so gern in diesen schweren Zeiten einfach nur in den Arm nehmen und sich um sie „kümmern“. Das alles ist einfach nur grausam, und manch einer würde sich wohl am liebsten hinsetzen und „den Kopf dick heulen“, wie meine Oma das früher so treffend nannte. Vielleicht tun das einige auch, denn Weinen kann hilfreich sein. Social Distancing ist knallhart und brutal, selbst wenn man damit seine Liebsten nur schützen will. Hoffen wir, dass der Spuk bald vorüber sein wird. Hoffen darf man. Muss man. Immer.

Seifentrostbild

Veröffentlicht unter Angst, Corona, Köln | Verschlagwortet mit , , , , , , | Schreib einen Kommentar