Maine Coons sind Spätentwickler – Krispin

Krispellino mit Fetzvorhang

In der Tat brauchen Coone länger, bis sie richtig erwachsen sind, bis zu zwei Jahre, und auch ihr Fell entwickelt sich vergleichsweise langsam. Manche Coone wachsen in Schüben und sehen dann vorübergehend unharmonisch aus. Mein silbergrauer Cisco, der später ziemlich groß und kompakt wurde, wirkte zwischendurch erst vorn und dann hinten „tiefgelegt“, und eine Weile sah sein Kopf viel zu klein aus für den mächtigen Körper, aber ansonsten hatte ich immer Glück und äußerst hübsche Coon Youngster.

Meine jetzigen drei sind nun fast ein Jahr alt, längst noch nicht ausgewachsen und haben auch immer noch keinen Fellkragen, was mich aber nicht im Geringsten stört. Wenn es nach mir ginge, könnten sie genauso bleiben wie sie sind, denn noch ist ihr Fell unverfilzt und pflegeleicht. Sie fangen zwar allmählich an zu haaren, aber bis auf die üblichen (meist dunklen) „Magnetstoffe“, die Katzenhaare auf geradezu unheimliche Weise anziehen, macht das nichts. Ich hatte auch schon das ein oder andere juckende Katzenhaar im Auge, aber kein Vergleich zu dem, was ich von ausgewachsenen Halblanghaarkatzen gewöhnt bin. Meine Augen reagieren da leider immer ziemlich heftig.

Was die Geschlechtsreife angeht, waren allerdings sämtliche Coonies, die ich bisher hatte, alles andere als Spätentwickler. Leider. Ich hätte mit der Kastration gern noch gewartet. Ich habe vor dem Eingriff schon Angst, wenn sie noch niedliche Kitten sind, und leider kommt der Point of no Return immer viel zu schnell. Auf jeden Fall schneller als gedacht oder geplant. Bei Katern ist es ja normalerweise nicht so schlimm, aber bei Katzen!

Krispins liebster Kuschelplatz

Gegen Winter begann Krispin, sich vermehrt schnüffelnd für Stellaluna zu interessieren, aber noch so verhalten, dass kein sofortiges Eingreifen nötig war. Das meinte auch meine Tierärztin. „Die sind noch nicht soweit.“ Also erst mal abwarten, was ich immer sehr gern mache. Bei Katern riecht man die Reife ohnehin streng und deutlich, da kann ich mich getrost auf meine Nase verlassen. Bei Kätzinnen ist das schwieriger, sie werden irgendwie von einem Tag auf den anderen rollig, oft in völlig untypischen Jahreszeiten. Und bisher habe ich den richtigen Zeitpunkt jedes Mal verpasst, wie ich zu meiner Schande gestehen muss. Den wichtigen Leitsatz „Nie in der Rolligkeit kastrieren, weil dann die Blutungsneigung viel zu groß ist!“ habe ich dabei stets im Hinterkopf. Aber was macht man, wenn man in einer hellhörigen Mietswohnung lebt oder schwache Nerven hat? Das Geschrei, Gegurre, Gesinge und Gerolle einer Kätzin kann Menschen und andere Katzen völlig fertig machen, besonders, wenn es höchst ungelegen kommt, etwa kurz vor Weihnachten, wenn man gerade den Baum schmückt, zwei Tage vor dem lang geplanten England-Urlaub, pünktlich an Ostermontag, wenn die komplette Family gerade aufgeschlagen ist, oder wenn man dummerweise einen potenten Kater im Haus hat (mir alles schon passiert). Ganz zu schweigen von der bedauernswerten rolligen Prinzessin. Irgendwann rollt sie Tag und Nacht, findet keine Ruhe und frisst keinen Bissen mehr. Diesen Zustand wollte ich Stellaluna auf jeden Fall ersparen. Im Prinzip hatte ich wirklich alles bestens geplant und vorbereitet. Zumindest theoretisch.

Pfötchen halten

Es fing damit an, dass die neue Gebührenordnung der Tierärzte (GOT) für mich völlig unerwartet in Kraft trat, was bei Katzenbesitzern tatsächlich Schnappatmung verursachen kann.  Dann verschwand auch noch viel früher als angekündigt die Tierärztin meines Vertrauens. Bei ihr waren all meine Katzen seit über 20 Jahren in Behandlung und von ihr wurden sie am Ende ihres Lebens sanft und einfühlsam über die Regenbrücke geführt. So was verbindet! Wir hatten vereinbart, dass sie die drei Coone auf jeden Fall noch vorher kastrieren würde, doch dann war sie ohne Vorwarnung weg, die Praxis stand erst gähnend leer, wurde dann zwei Wochen umgestaltet und schließlich von einer neuen, sehr jungen Tierärztin bezogen, der ich natürlich zunächst reichlich fremd und irgendwie irritiert gegenüberstand. „Ich kastriere nur Kater“, konstatierte sie bei meinem ersten Sondierungsbesuch (noch ohne Coone). „Bei Katzen ist das ein komplizierter Eingriff, dazu habe ich hier gar nicht die Voraussetzungen. Dazu muss ich Sie an unsere große Praxis verweisen.“ Schreck lass nach! Die war echt weit weg! Und bisher hatten sämtliche Tierärzte, die ich je hatte, immer beides gemacht. „Den Tierarzt, wie Sie ihn kennen, gibt es nicht mehr. Und das ist auch gut so. Die Tiermedizin ist inzwischen genauso hoch entwickelt wir die Humanmedizin.“ Vielleicht sind Fachtierärzte ja gar nicht so schlecht, dachte ich, besonders bei Zahn-OPs. Die röntgen zumindest alles vorher. Dann wurden eben nur die beiden Kater bei ihr kastriert. Doch nicht mal das klappte.

Krispin im Advent

Krispin war kein Problem, aber Hathaway war leider ein „Einhoder“, wie ich zu meiner Erschütterung bei näherer Tastuntersuchung feststellte. Als Katzenfrau war mir das Problem Kryptorchismus natürlich nicht neu, ich hatte darüber einiges gelesen und auch Beiträge dazu übersetzt, aber wenn man selbst nie einen Krypto-Kater hatte, tangiert es einen nicht wirklich. „Am besten noch ein bisschen abwarten. Vielleicht steigt der zweite Hoden ja noch ab“, rieten mir drei Tierärztinnen und alle Katzenmenschen (bis auf zwei), die ich um Rat fragte. Eigene Erfahrungen hatte von sämtlichen Katzenmenschen allerdings keiner. Nur davon gehört. War angeblich gar nicht so selten. Was für ein Pech, dass es jetzt ausgerechnet wieder mich erwischte! Krypto-Kater operierte die neue Tierärztin natürlich auch nicht, denn der Eingriff macht unbedingt den Einsatz eines Ultraschallgeräts nötig und ist genauso kompliziert (und leider auch teuer) wie eine Katzenkastration, also geschätzt um die 400 Euro. Vielleicht auch noch komplizierter, aber den Gedanken verbat ich mir zunächst. Kein Mensch kann wissen, wo das versteckte zweite Ei sitzt, und auf gut Glück im armen Katerbauch herumschnippeln will man ja auch nicht. Ich hörte von Fällen, wo der Tierarzt auch nach zwei OPs nichts gefunden hatte, und bekam es noch mehr mit der Angst zu tun. Bestimmt würde das Ei noch rechtzeitig absteigen. Also erst mal nur Krispin.

Krispin wurde Mitte Dezember zur Voruntersuchung gebracht und wenige Tage später erfolgreich und völlig problemlos kastriert. Eindeutig ein Punkt für die junge Tierärztin. Stolze 200 Euro kostete die Operation zwar nach der neuen GOT, aber ich war beeindruckt von der modernen Inhalationsnarkose, die so gänzlich anders wirkte als alles, was ich bisher gesehen hatte. Der kleine Patient war danach sofort wach und voll orientiert, torkelte und schwankte kein bisschen mit glasigem Blick herum wie ein Zombie und verschlief auch nicht den ganzen Tag und versetzte seinen Menschen in Angst und Schrecken, weil er irgendwie extrem leblos wirkte. Ich bekam ein Schmerzmittel mit, das ich an vier bis fünf Tagen mit einer dünnen Spritze (natürlich ohne Nadel) ins Mäulchen geben sollte. Große Flasche, weil die anderen beiden ja auch bald dran waren. Krispin nuckelte das Zeug zum Glück freiwillig ab, daher nehme ich an, dass es wohlschmeckend ist.

Krispinus Dracula

Etwas geschockt war ich allerdings von der Aussicht, dass er eine Woche lang einen Kragen tragen sollte. Meine Katzen wurden immer so alt, dass ich nur wenige Kastrationen hautnah miterlebt habe, aber das hatte ich bisher noch nie gehört. „Sonst leckt er sich die Wunde auf und dann kann es sich entzünden.“ Das hatten meine Kater noch nie getan! Die Wunde wird bei Katern nicht vernäht, sondern nur desinfiziert und schließt sich dann von selbst. Einen starren, steifen Plastikkragen wollte ich dem armen Kerl wirklich nicht antun, also kaufte ich vorsorglich schnell noch eine schöne weiche blaue Halskrause (Größe M) bei amazon, die ich dann bei beiden Katern einsetzte. Vorher übte ich schon mal ein bisschen, um sie daran zu gewöhnen, wobei gleich klar wurde, dass Stellaluna sogar mit so einem weichen Ding um den Hals völlig durchdrehte.  Sie wurde panisch und sprang meterhoch, als ich ihr die Halskrause umlegte. Ich parkte den Kragen über Nacht im Transportkorb, damit er auch schön „nach zu Hause“ roch, und vertraute darauf, dass zumindest der gutmütige Krispin ihn tolerieren würde. Aber eine Woche lang? Das müsse unbedingt sein, meinte die Tierärztin. Langsam bekam ich Panik. Hatte ich den Eingriff bisher nicht ernst genug genommen? Meine Angstschwelle ist in Katzenfragen leider extrem niedrig.

Gegen Mitternacht bekam der Ärmste seinen letzten Snack, morgens um 11 brachte ich ihn schweren Herzens in die Praxis, wobei er nach Coonart keinen Mucks von sich gab, um zwölf rief die Tierarzthelferin an und teilte mir mit, dass alles gut gelaufen sei, um halb zwei holte ich meinen Kater wieder ab. Mit blauem Kragen. Der stand ihm zwar wirklich gut, doch ich habe ihn zu Hause trotzdem gleich abgenommen und bin den Rest des Tages in der Nähe geblieben und habe aufgepaßt, dass Krispin sich nicht leckt. Hat er nur zweimal versucht. Ich habe einfach meinem Gefühl mehr vertraut als der strengen ärztlichen Anweisung. Mein Jungkater war tatsächlich vernünftig und ist kragenfrei genesen. Extrem schnell. Noch am selben Abend war er topfit.

Krispin mit Krause

„In ein zwei Stunden darf er fressen“, hatte die Tierärztin gesagt. Doch damit war Krispin nicht einverstanden, er verlangte gleich nach dem Ausstieg aus dem Kennel lautstark nach Futter. Ich gab ihm ein Gäbelchen voll. MEHR! Sicher wusste er selbst am besten, was ihm guttat, also bekam er mehr. Ein ganzes Tütchen. MEHR! Zwei volle Portionen verschlang er,  putzte alles heißhungrig weg, trank seinen geliebten Cat Drink wie ein Fisch, ging ordentlich aufs Katzenklos und legte sich entspannt schlafen.

Seine Geschwister, die ich die ganze Zeit sorgsam im Auge behielt (manche Katzen reagieren leider sehr stark und gelegentlich sogar aggressiv auf den für sie fremden Tierarztpraxisgeruch, so dass man sie unbedingt vorübergehend trennen sollte), verhielten sich äußerst liebevoll und leckten ihm abwechselnd das Gesicht. Während Krispin schlummernd im Kennel lag, saßen sie wie kleine Wachkatzen an den Seiten und passten auf. Das machten die beiden Kater später auch bei Stellaluna, und das machten Krispin und Stella auch bei Hathaway. Wenn sie Menschen wären, könnte man die drei als „äußerst mitfühlend“ bezeichnen. Keine Sekunde lang haben sie miteinander gefremdelt, es sah eher aus, als würden sie einander Trost spenden und Mut zuschnurren. Vielleicht sind sie ja so eng und unkompliziert, weil sie Geschwister sind, oder extrem gut von ihrer Züchterin sozialisiert.

Krispin Schreibtischkater

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2 Antworten zu Maine Coons sind Spätentwickler – Krispin

  1. Eleonore Hillebrand sagt:

    Spannend!

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