Da im September in der Zeitschrift „1001Miniatur“ ein langer Artikel über meine Mäuse erscheint, ist es wohl an der Zeit, dass ich auch auf meiner Homepage ein wenig mehr über meine große Liebe zur kleinen Welt schreibe.
Puppenstuben und Puppenhäuser haben mich schon als Kind fasziniert, auch wenn ich selbst nur eine einfache Roombox mit zwei Zimmern und ein paar einfachen Möbeln hatte, die meine Mutter zu meinem Kummer irgendwann verschenkte, weil ich angeblich „zu groß“ dafür war. Was für ein Irrtum! Eine meiner Cousinen hatte zum Glück ein antikes Puppenhaus, das mich natürlich wie ein Magnet anzog, wenn wir dort zu Besuch waren. Leider durfte ich es nur bewundernd ansehen und nichts darin anrühren, aber als Erwachsene war ich endlich frei und irgendwann nicht mehr zu halten. Ich habe mein Leben lang „Sächelchen“ gesammelt, wie mein Mann es liebevoll nannte. Ohne Grund, nur weil ich sie schön fand, gern ansah und das Sammeln so viel Spaß machte. Auch kleine Häuser gehörten dazu, aus Holz, Pappe oder Papier, sogar aus Plastik, solange sie schön bemalt oder beklebt waren. Dass ich eines Tages eine umfangreiche, raumgreifende Miniwelt für Mäuse, Hexen und andere Wesen erschaffen würde, habe ich allerdings lange nicht geahnt.
Mein Mann hat meine Neigung stets gefördert, denn er mochte Spielzeug. Wenn wir Weihnachtsbazare, Flohmärkte oder Spielzeugmuseen besuchten, kaufte er mir ausgefallene Miniaturen, am liebsten winzige Weihnachtsdekorationen. Einmal hat mir die nette Dame im Spielzeugmuseum in Rothenburg ob der Tauber sogar einen Minikuchen mit toller Obstgarnitur geschenkt, nachdem mein Mann mir mehrere kleine Kuchen und allerlei andere Schätze gekauft hatte. Bei den Kuchen war ich so entzückt gewesen, dass ich sie am liebsten alle ausgewählt hätte. Das war der Verkäuferin nicht entgangen, und an der Kasse sagte sie: „Und jetzt dürfen Sie sich noch einen Kuchen aussuchen! Weil Sie so viel Spaß an den Sachen haben!“ Dass man mir meine Begeisterung so deutlich anmerkte, hat mich sehr gefreut, denn als Kind konnte ich meine Gefühle leider schlecht bis überhaupt nicht zeigen, schon gar nicht Freude und Begeisterung. Ich stand einfach nur stocksteif da, hatte ein verlegenes kindliches Pokerface und stammelte leise: „Das ist aber schön, Mama!“ Das reichte leider nicht, um meiner extrovertierten, emotional überbordenden Mutter klarzumachen, dass ich den Gegenstand, den ich gerade fixierte, extrem begehrenswert fand. Und so blieben meine Wünsche fast immer unerfüllt. Meine Schwester dagegen schrie vor Begeisterung laut los „Mama, Mama, das will ich haben! Kaufst du mir das? Bitte, bitte, Mama!“ und bekam prompt, was ihr Herz begehrte. Ich dagegen konnte nicht mal einen ordentlichen Wunschzettel schreiben, weil ich mir immer Sorgen machte, ob das, was ich mir wünschte, nicht vielleicht doch viel zu teuer oder zu schwer zu beschaffen war.
Mein Mann merkte zum Glück immer, wenn ich etwas schön fand und mir wünschte. Er besaß zudem selbst einiges an Spielzeug, als wir uns kennenlernten, was in meinen Augen schon ziemlich ungewöhnlich war. Er hatte nicht nur zwei antike Porzellanpuppen, die einst seiner Großmutter und seiner Mutter gehört hatten, eine umfangreiche Blechspielzeugsammlung sowie eine riesige unvollendete Eisenbahnanlage im Keller, sondern auch einen gut mit winzigen Lebensmitteln bestückten hübschen kleinen Maggi-Laden aus Holz und verschiedene kleine Tiere und Möbel, die er mir alle sofort strahlend überließ. Irgendwann zu Weihnachten überraschte ich ihn mit einem selbstgebauten Marktstand voller Weihnachtsminiaturen, der monatelang im Wohnzimmer auf einem Regal stand und von den antiken Biegepüppchen bewohnt wurde, die mir mein Mann geschenkt hatte. Jedes Jahr im Advent baute ich zudem unsere Santon-Krippe auf, mit wachsender Hingabe und immer mehr Häusern, Laternen, Bäumen und klitzekleinen Details. Die Mäuse kamen erst später.
Mausland (der Name klingt nicht von ungefähr wie Ausland) wurde 2015 ganz spontan geboren, nachdem ich im Internet die Mäuse der chilenischen Künstlerin Johana Molina entdeckt hatte, einer echten Pionierin der Filzkunst. Cheddar und Mozzarella waren mein Erstkauf in den von mir gerade entdeckten globalen Marktplatz Etsy und brauchten ziemlich lange, bis sie bei uns ankamen, aber Johana hatte ihnen Proviant und Lesestoff mitgegeben, so dass sie die lange Reise gut überstanden. Kurz danach schickte Johana mir meine erste Maushexe, die schwarz gekleidete Caerphilly, die sofort ein Halloweenzimmer in einem Schuhkarton bekam.
Da Mäuse sich bekanntlich rasend schnell vermehren, hatten Cheddar und Mozzarella schon bald etliche Kinder (die ersten waren Tina/Fontina, Parmi/Parmesan, Pecorino und Mimolette), die aus den Niederlanden stammen und von Mireille Booth (bearytalesbymireille), einer anderen Pionierin der Nadelfilzkunst, erschaffen wurden. Mireille ist genau wie ich Übersetzerin und im Laufe der Zeit sind wir gute Internetfreundinnen geworden und haben auch außerhalb der Miniwelt Kontakt. Manchmal überrascht sie mich sogar mit unerwarteten Mauspäckchen! Am Anfang waren ihre Mäuse noch alle „ooak“ (one of a kind), also Unikate. Dass es sie nur einmal gab, machte sie für mich besonders kostbar. Ich versuche immer noch, ausgefallene Einzelmäuse zu finden, und freue mich, dass Mireille inzwischen außer dem Etsy Shop auch eine eigene Seite mit ooak-Kreationen hat. Über Mireilles Mäuse könnte ich viele Geschichten erzählen!
Ziemlich schnell entstand eine kleine Welt, in der Mäuse (meist „hochsensibel“, mit individuellen Stärken und Schwächen, Macken, Ängsten und anderen Problemen) aus aller Herren Länder friedlich zusammenleben und sich liebevoll und humorvoll umeinander kümmern, ganz so, wie man sich die „echte“ Welt wünschen würde. Welche Sprache der andere spricht, welche Farbe er hat und woher er oder sie kommt, ist völlig egal. In Mausland ist für alle Platz. Bis vor kurzem hatten alle meine Mäuse Käsenamen, was damit zusammenhängt, dass ich vor vielen Jahren mit großer Freude ein umfangreiches Käsebuch übersetzt habe. Ich liebe Käse und kenne mich daher ganz gut damit aus. In letzter Zeit habe ich aber auch ungewöhnliche Namen gewählt, die mir die internationalen Mausfans auf meiner Insta-Seite vorgeschlagen haben, einfach weil sie so gut zu der jeweiligen Maus passen. Ich liebe dieses gemeinsame Brainstorming!