Cookie Days

Weihnachtsteig (silviarita/pixabay)

Für mich waren die „Cookie Days“ meiner Kindheit einfach nur schön. Im ganzen Haus duftete es nach Weihnachtsbäckerei. An gleich mehreren Nachmittagen durfte ich mit Mama Plätzchen ausstechen und Teigreste naschen. Wir buken Buttergebäck, Kleiebrötchen (bei uns hießen sie merkwürdigerweise Kleinebrötchen, wahrscheinlich wieder eine meiner zahlreichen verbalen Fehlleistungen), Nuss- und Kokosmakronen, Berliner Brot, Spritzgebäck, Zimtsterne, Anisgebäck (leider zu hart, außerdem roch es komisch) und Heidesand (eigentlich Schwarzweißgebäck, aber bei uns hieß es meistens Stuyvesand, genau wie die Zigaretten von Onkel Heinz, alles andere ergab für mein Kinderwortgefühl irgendwie keinen Sinn).

Die gemeinsame Plätzchenbackzeit habe ich ausnahmslos als warm, gemütlich, wohlduftend und entspannt in Erinnerung. Als winzige Oase und rettende Insel im wilden, hektischen Vorweihnachtsstress. Ist es möglich, dass meine Erinnerung trügt? Eine ehemalige Klassenkameradin machte mir neulich die erschütternde Mitteilung, sie sei nur ein einziges Mal dabei gewesen und das habe ihr für alle Zeiten gereicht. Sie sei übel ausgeschimpft worden, weil ihre Kekse angeblich nicht perfekt waren, und heulend nach Hause gelaufen. Komisch, dass ich mich daran beim besten Willen nicht erinnern kann. Ich hab doch sonst ein Gedächtnis wie ein Elefant! Vielleicht möchte ich das auch gar nicht erinnern, denn beim Plätzchenbacken war und ist die Welt für mich in Ordnung. Cookie times are perfect bliss!

Vielleicht hat das arme Mädchen damals nur die seltene Mutter-Tochter-Idylle gestört? Aber es stimmt, Geduld war wirklich nicht die Stärke meiner Mutter. Am besten, man machte alles „richtig“, also genau so, wie sie es sich vorstellte. Möglicherweise habe ich beim Backen damals ausnahmsweise alles „richtig“ gemacht? Vor allem habe ich ja nur begeistert zugeguckt. Mit mir hat sie dabei jedenfalls nie geschimpft. Deshalb backe ich auch immer noch ausgesprochen gern. Vor allem Plätzchen!

Meine Spezialität sind Vanillekipferl, Friesenkekse, Pfefferkuchen und Heidesand. Hauptzutat: ganz viel Liebe und Zuwendung.

Alles bereit (NickyPe/pixabay)

Bei mir gibt es jedes Jahr „Erinnerungsplätzchen“ nach den Rezepten meiner Vorfahren, auch wenn ich sie gelegentlich leicht abwandle. Das Heidesandrezept meiner Mutter stammte in Wirklichkeit von ihrer Schwiegermutter, und „die Omi“ hatte es offenbar sogar noch von ihrer Mutter. Es kommt wohl aus einer Zeit, als es noch keine Kühlschränke gab.

Die fertigen Teigrollen müssen auf einem Küchenhandtuch, das vorher leicht mit Zucker bestreut wird, sanft hin und her gerollt werden, und danach wird das Handtuch zugeknotet und (das ist ausdrücklich so schriftlich festgehalten und dick unterstrichen) eine Nacht im Keller aufgehängt. Vielleicht wegen der Mäuse? Das Aufhängen sei unbedingt nötig, behauptet meine gesamte Verwandtschaft väterlicherseits. Sie alle hängen ihr gezucktertes Handtuch mit dem Teig eine Nacht in den Keller. „Sonst schmecken die Plätzchen nicht richtig. Die Omi hat das auch immer so gemacht!“

Ruhender Teig (BFL)

Ich war mutig und wagte die Probe aufs Exempel. Ein Teigdrittel kam nebst Handtuch in den Keller und wurde aufgehängt, ein Drittel wurde im Keller nicht aufgehängt, und das letzte Drittel landete nebst Handtuch unten im Kühlschrank. Geschmacklich gab es nach dem Backen bei meinen Testessern keinerlei Unterschiede, und selbst meinen extrem hochsensiblen und kritischen Geschmacksknospen fiel nichts aus. Seitdem ruht bei mir der komplette Teig im Kühlschrank. Und  lächelt höchst zufrieden, während er ruht. Echt jetzt! Meinen Mann erschrecken die friedlichen Gesichter in der Kühlung zwar manchmal, aber er gewöhnt sich daran. Allerdings sind meine Plätzchen etwas größer als Omis und Mamas, haben weniger Kakao und bleiben kürzer im Ofen, so dass sie insgesamt deutlich heller ausfallen. Sie sind also doch nicht genau so wie die von der Omi, da haben meine Cousinen schon recht.

Ich habe grundsätzlich immer nur ein Blech im Backofen, auch wenn die Backerei dann länger dauert und ich eine ganze Weile neben dem Herd verbringen muss, weil ich nur so den Bräunungsgrad perfekt abpassen kann. Sobald meine hochsensible Nase meldet, dass die Plätzchen fertig sind, befreie ich sie auf der Stelle.

Wirklich wichtig beim Heidesandbacken ist übrigens, dass sämtliche Zutaten vor dem Vermengen ganz fein gesiebt werden und ein Teil des Mehls durch Mondamin ersetzt wird. Damit die Plätzchen auch richtig schön zart auf der Zunge zergehen. „Das hat die Omi auch immer so gemacht!“ Und die Uromi aus Krefeld wahrscheinlich auch. Mondamin gibt es nämlich schon seit 1896.

Backfreude (Congerdesign/pixabay)

Dieser Beitrag wurde unter Kindheit abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.