Just Cee – erste Gedanken

Cee

Noch vor einer Woche hätte ich nicht für möglich gehalten, dass ich Caroline (die ich immer Cee nenne, und sie nennt mich Bee), eine meiner besten Freundinnen ever, so bald und vor allem so plötzlich verlieren würde. Noch am letzten Samstag haben wir lange miteinander telefoniert. Alles war wie immer, nur die Verbindung war nicht so gut, weil Cee vom knisternden Handy aus anrief, da ihr Internet zusammengebrochen war. Am folgenden Tag ist sie gestorben. Erfahren habe ich es erst am Dienstag und bin noch immer geschockt.

Bis heute kann ich die Wahrheit weder mit dem Verstand noch mit dem Herzen begreifen und schwanke zwischen Unglauben und Fassungslosigkeit. Eine Frau wie Caroline, eine so starke, schillernde, autarke, begabte, eindrucksvolle, zupackende, energiegeladene Persönlichkeit, kann nicht einfach fort sein. Schon gar nicht für immer. Unmöglich. Gleich wird sie mir wieder eine WhatsApp-Nachricht schicken, mich anmailen mit ihrem neuesten Bild oder der neuesten Zeichnung. Unsere Nachrichten gehen in die Tausende, wir haben beide etliche Ordner füreinander (Cee 1, 2, 3, Cee final, Ceex, Ceexx). Oder sie wird mich anrufen oder mit frisch gebackener köstlicher Pumpkin Pie (ihre Spezialität heißt Chiffon Pie und ist extrem sättigend), einem Tablett voll warmer Brownies oder einem Spontangeschenk vor der Tür stehen. An Ostern hat sie mich schon mit Katzenportraits und Mäusezeichnungen auf ausgeblasenen Eiern überrascht. Caroline Riedel ist Malerin. Und meine Illustratorin. My dear dreamteam half.

Sie hat drei meiner Bücher illustriert. Die beiden Winnie-Bände sind erschienen, der Marigard-Roman liegt immer noch bei mir. Für jedes der vielen Kapitel gibt es eine Zeichnung. Ihre Ungeduld war berechtigt. „When are you going to publish it? I hope I will still be alive then!“

Skizze von Caroline Riedel

Übrigens schellt sie nie. Unsere Klingel ist so laut, dass sie Katz und Mensch bis ins Mark erschreckt. Cee klopft sacht mit dem Zeigefinger ans Türholz, und ich weiss sofort, dass sie es ist. Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen? Ende Januar? Februar? Neulich war sie noch kurz an der Tür, wollte aber nicht hereinkommen. Dafür dass wir im selben Stadtteil leben, ist unser letztes „echtes“ Treffen lange her, auch wenn es sich anfühlt wie gestern. Wir waren nämlich in ständigem Kontakt, früher per Mail, seit etwa fünf Jahren auch per WhatsApp, weil man da besser Fotos und Filme teilen kann und schneller reagiert. Auch mitten in der Nacht, wenn man ein nightowl ist (wie Cee) oder Schlafstörungen hat (wie ich). Sie hat mit mir über den Tod meiner betagten Alice getrauert und sich mit mir auf die neuen Kitten gefreut, bittet mich regelmäßig um die neuesten Fotos. „Any kitten pics to brighten up my day?“ Nur noch eine, höchstens zwei Wochen, wenn alles klappt! Auf jeden Fall wird sie sofort auf der Matte stehen, um die Kätzchen ordentlich durchzuknuddeln, „I‘m really looking forward to krauling them“, wenn sie dann endlich hier eingezogen sind. „I am almost as excited as you!“ Ich muss nur ganz fest daran glauben, dann wird das Wunder geschehen. Ganz bestimmt wird es so sein.

Dearest Cee, I am missing you like hell. 

Es ging ihr nicht gut in letzter Zeit, mir war bewusst, dass sie ernstlich krank war, selbst wenn ich es einfach nicht wahrhaben wollte. Vor kurzem hatte sie die erste Chemotherapie, die so „gut“ anschlug, dass sie nicht nur alle „bad cells“, sondern auch die „good ones“ auslöschte, danach bekam sie Bluttransfusionen, um wieder zu Kräften zu gelangen. Im Mai hat sie dann trotz aller Vorsicht auch noch Omikron erwischt, und seitdem konnte sie nicht mehr richtig hören, was sie total nervte.

Cee

Doch darüber wollte sie am Samstag nicht reden, „Let’s talk about something nice! I need some cheering up!“ Zum Beispiel Pferde. Oder Katzen. Oder ihre geliebte Hündin Milli. „She is so wonderfully erzogen!“ Und über meine sehnsüchtig erwarteten Kitten. Sie erzählte auch von der tollen neuen Serie,  die sie sich abends mit ihrem Mann im Fernsehen ansieht und deren Namen ich leider vergessen habe, weil man sie ohnehin nicht über Netflix oder Firestick empfangen kann, und über die Abiturfeier ihres Enkels. Anstrengend sei es gewesen, sie habe viel laufen müssen, „but I had Uwe’s and Anton’s elbows. They are simply wonderful.“ Cee liebt ihre Familie über alles. Liebte. Nein, liebt. Sie ist ja noch da, ich weiß es genau, denn vor zwei Nächten war sie in meinem Traum und hat mir ihre neuen Illustrationen gezeigt. Sie waren dreidimensional, was mich sehr beeindruckte.  Typisch Caroline. Nein, sie ist nicht fort. Das kann und darf nicht sein.

Cee

Bei unserem ersten Treffen (in der Kassenschlange der längst verschwundenen Schlecker-Filiale im Weidener Einkaufscenter, wir hatten beide tonnenweise Katzenfutter gekauft) spürte ich sofort, dass wir irgendwie zusammengehörten. Cee fiel mir auf, weil sie „anders“ aussah als die üblichen Center-Kunden. Sie strahlte etwas aus, das mich faszinierte. Beim Bezahlen hörte ich ihren amerikanischen Akzent und sprach ich sie einfach auf Englisch an (auf Englisch habe ich zum Glück weniger Hemmungen) und lud sie, was ich sonst noch nie gemacht habe, SOFORT zu mir nach Hause ein, um ihr meine Katzen zu zeigen. American cats! Maine Coons! Diese Frau war besonders, ich musste sie festhalten, denn wer wusste schon, ob wir uns erneut so schicksalhaft zufällig über den Weg laufen würden. Mein Mann war an jenem Tag in Berlin, sonst hätte er sich bestimmt gewundert über meine spontane Abschleppaktion, doch so waren nur die Katzen zu Hause, die sich komischerweise gar nicht wunderten, und wir hatten alle Zeit der Welt. Cee rief kurz ihren Mann an und sagte, sie werde später kommen, „because I met someone really nice“. Damals lebten noch alle meine Coone, und in Cees Haus logierte der imposante Kater Porgy, der einen wie ein vornehmer alter Landlord musterte, wenn man zu Besuch kam, während Cees nächste Katze Paxi extrem scheu war und sofort wie ein übergewichtiger schwarzweißer Blitz davon schoß, wenn sie einen nur hörte. Selbst das schönste interaktive Spielzeug vermochte sie nicht aus ihren Verstecken hervorzulocken. Ich habe sie nie gestreichelt. Eine herbe Niederlage für eine leidenschaftliche Cat Woman.

An jenem ersten Abend redeten wir über Gott und die Welt, als würden wir uns schon ewig kennen. Vielleicht kannten wir uns ja auch tatsächlich schon ewig. Vielleicht aus einem anderen Leben. Es war Freundschaft auf den ersten Blick, und die Spontanabschleppung gehört zu den wenigen Aktionen, auf die ich äußerst stolz bin. Das war Kairos, die unwiederbringliche Gelegenheit, die man beim Schopfe packen muss, bevor sie für immer dahin ist. Auch sprachlich waren wir genau auf derselben Wellenlänge, unterhielten uns in einem lustigen deutsch-englisch-amerikanischen Mischmasch, und sie fluchte genauso gern und heftig auf Amerikanisch wie ich auf Englisch („I so am glad Uwe can’t hear us, he’s such a gentleman“). Wir lachten und schimpften über genau dieselben Sachen, und ich fand ihren Sinn für Humor und ihre erfrischende Direktheit überaus entspannend und genial.

Cee

Cee liebte nicht nur Katzen und Hunde, sondern auch Pferde, gegen die sie leider lange extrem allergisch war. Am Samstag haben wir uns noch gewundert, dass ihre Allergie sich in Luft aufgelöst hat. Gerade war sie noch mit ihrem Mann bei einem wundervollen Pferde-Event gewesen (in der Lanxess-Arena?) und beschrieb mir ihre Favoriten in allen Einzelheiten, vor allem ein Pferd, dessen Mähne und Schweif lang und seidig wie Schleier über den Boden flossen. Beim zweiten Auftritt sei die Mähne dann zu einem dicken Zopf geflochten gewesen. „And in the end we could walk up to the horses and pet them! Trick riders were a French troop. Fabulous!”

Schon als kleines Kind skizzierte Cee ganze Blöcke und Bücher voll mit Pferden. Sie konnte sie sogar mit geschlossenen Augen zeichnen. Auch für die Malerin gehörten Pferde zu den liebsten Motiven. Zufällig kannte ich einen Reiterhof in der Nähe und wir beschlossen an jenem ersten Abend, schon in der nächsten Woche gemeinsam dorthin zu fahren.

Viele Male waren wir seither dort, gehören zu den „Stammgästen“, bewunderten die eleganten Tiere, schlenderten durch die Ställe, unterhielten uns mit den netten Besitzern. Ich fotografierte mit zwei Kameras nicht nur alles, was mir gefiel, sondern vor allem das, was Cee gefiel, also (gefühlt!) Millionen Pferdekörper, Pferdebeine und Kruppen aus allen möglichen Perspektiven, gern auch von hinten. Wie gut, dass es Digitalkameras gibt, sonst hätte ich jedes Mal glatt zig Filme verknipst. Es war immer ein Vergnügen, anfangs musste Cee vorher Antihistamine einnehmen, doch beim letzten Besuch brauchte sie die nicht mehr. Für eine Frau, die bei einer Pferdeshow mal ihre Tabletten vergessen hatte und daraufhin einen anaphylaktischen Schock erlitt (komplett mit Notarzt und allem), war dies wirklich erstaunlich. Zu Hause angekommen, bearbeitete ich die horses sofort und mailte sie ihr. Dabei gab regelmäßig mein Mailspeicher den Geist auf, bis ich mir endlich genügend Speicherplatz kaufte. Unsere Mailwechsel waren immer höchst bildgewaltig. Außerdem legten wir vorsichtshalber auch noch diverse private Pinwände auf Pinterest füreinander an, damit Cee meine Bilder auch schnell finden konnte. Mit ihrem Computer stand sie nämlich auf Kriegsfuß. Mit ihrem Scanner erst recht. Sogar mit ihrem Handy. Mit allem Technischen. But so what. Schließlich war sie Künstlerin!

Cee

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2 Antworten zu Just Cee – erste Gedanken

  1. Uwe sagt:

    Ganz innigen Dank für diese Worte, die für Cee gefunden hast und noch finden wirst.

    • Bee sagt:

      Danke, Uwe. Ich könnte stundenlang über sie schreiben. Und werde das auch. Wie froh bin ich, dass ich immer so viele Fotos gemacht habe. Nur das Atelier fehlt mir noch. Da habe ich keine Bilder, dabei war es so wichtig für sie. Liebe Grüße!

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