Angst und Corona – Schlafstörungen und Alpträume

Nachtwald (Alain Audet/pixabay)

Auf Englisch gibt es längst einen Namen für das nächtliche Problem, mit dem sich im Moment viele Menschen in aller Welt quälen: Corona Insomnia. Corona-Schlaflosigkeit. Manchmal ist es auch bei mir so schlimm, dass ich mich nach stundenlangem Bettwälzen morgens wie gerädert fühle. Nun hatte ich schon immer einen „leichten Schlaf“, ein Erbe meiner Mutter, die nachts mehr wachte als schlief, weil sie sich unablässig um jeden und alles sorgte. Dass es sich dabei um eine Generalisierte Angststörung handelte, war ihr nie bewußt. Es fühlte sich nicht an wie Angst, sondern wie körperliche Angespanntheit und „Sorgen“. Ich dagegen weiß sehr wohl, dass es meine Angst ist, die mich wachhält und aufweckt, und die kommt im Moment ja wirklich nicht von ungefähr.

Meine Alpträume hatte ich viele Jahre gut im Griff. Corona hat das geändert. Neuerdings habe ich sogar wieder die alten Intruder-Träume, in denen feindliche Schlägertypen in mein Haus eindringen, die Wände einreißen, die schützende Hecke im Garten gewaltsam zerstören oder auch nur bedrohlich vor der Türe herumlungern und nur darauf warten, dass ich mich endlich nach draußen traue. Manchmal haben sie sich auch heimlich meine Schlüssel beschafft. Oder die Türen stehen weit offen, ohne dass ich etwas dagegen tun kann, oder lassen sich partout nicht mehr abschließen. Diese Traummotive kenne ich nur allzu gut. Sie haben mich vor vielen Jahren so nachhaltig um den Schlaf gebracht, dass ich mich zum ersten Mal auf die Suche nach einer Therapeutin machte. Eine der besten Entscheidungen meines Lebens, wie sich bald herausstellte.

Heute horche ich genauer hin, wenn meine Träume mit mir sprechen. Wenn ich sie gerade richtig verstehe, wollen sie mir wohl deutlich machen, dass mein innerer Schutzwall wieder zu durchlässig ist, genau wie damals. Corona geht mir leider auch ziemlich unter die Haut, wie mir meine empfindsame äußere Hülle signalisiert. Mit juckenden Ekzemen und Entzündungen an den üblichen Stellen, vor allem am Hals und im Gesicht. So viele Angstsymptome. Da muss ich was machen. Höchste Zeit, meine Träume näher zu betrachten, damit sie sich wieder beruhigen können, und Nachtbilder zu suchen, die zu ihnen passen.

Nachtfalter (Ray Hennessy/unsplash)

Corona-Träume sind sehr unangenehm. Weil sie so nerven, habe ich sie gegen meine sonstige Gewohnheit seit Wochen nicht mehr aufgeschrieben, aber das haben sie mir offenbar übel genommen, daher notiere ich sie jetzt doch lieber wieder. Meine Träume sind es gewohnt, beachtet zu werden, und reagieren ziemlich ungehalten, wenn ich sie „übersehe“. Aber wenn ich mich ihnen wieder zuwende, verzeihen sie mir und belohnen mich mit schönen Bildern, um mir deutlich zu machen, dass wir wieder auf derselben Wellenlänge sind. Jedenfalls meistens. Mal sehen, was sie sich diesmal einfallen lassen. Im Moment sind sie noch sauer auf mich.

Letzte Nacht war ich im Traum mit meinem Mann in London, auf einer großen Straße, die nur so wimmelte vor Menschen. Keiner trug Mundschutz, keiner wahrte Abstand. Es war dunkel und regnete (wie so oft in meinen Träumen). Ich fühlte mich unbehaglich beim Anblick der Menschen und dachte schon beklommen an den anstehenden Rückflug. Mit all den anderen Passagieren im selben Flugzeug, und die Klimaanlage wirbelt uns dann die verbrauchte Luft auch noch immer wieder ins Gesicht. Ich war mir sicher, dass ich mich infizieren würde, und es gab gar nichts, das ich dagegen tun konnte. Dann verschwand plötzlich mein Mann von meiner Seite und das Handy funktionierte nicht mehr (passiert mir immer im Traum). Wie sollten wir einander jetzt noch finden oder auch nur erreichen? Ich wollte mich in ein Museum retten, weil ich dachte, dort gäbe es sicher genug Platz. Aber weit gefehlt, im Foyer hielt gerade jemand einen Vortrag, und überall waren Menschen. Alle ohne Sicherheitsabstand und Mundschutz. Höchste Zeit, wach zu werden.

Vorletzte Nacht versetzte mich ein bedrohlicher Fremder im Traum so in Panik, dass ich wach wurde. Auch er trug keinen Mundschutz und kam mir gefährlich nahe, obwohl ich ihn mit beiden Händen abwehrte und immer weiter zurückwich, bis ich förmlich mit dem Rücken an der Wand stand, nur um mir dann grinsend mitzuteilen, dass er gerade mehrere Tage auf einer Konferenz mit lauter infizierten Virologen (!) verbracht habe. Er habe sich dabei auch infiziert, aber das schien ihn nicht weiter zu stören. „Jetzt steckt er mich an!“ blitzte es mir durch den Kopf. Eine ganz neue Art von „Eindringling“ und übergrifflicher Gewalt, mit der ich noch umzugehen lernen muss.

Einige Tage zuvor fand ich mich im Traum in einem riesigen überfüllten Krankenhaus wieder, auf der Suche nach meinem verschwundenen Mann, so dass ich nicht mal fliehen konnte, weil ich ihn ja verzweifelt suchte. Im Flur war die Luft zum Schneiden dick, man konnte kaum atmen, und überall saßen Corona-Kranke, die laut husteten, mehr tot als lebendig wirkten und mit langen Armen nach mir griffen, um mich zu packen und festzuhalten. Ein gruseliger Flur wie in einem Horrorfilm. Wieder wurde ich wach. Leider ohne meinen Mann im Traum gefunden zu haben. Zu meiner Erleichterung hörte ich ihn neben mir atmen und entkrampfte mich wieder. Überhaupt verliere ich ihn neuerdings dauernd im Traum, und auch das macht mir zu schaffen. Ist das jetzt nur meine „normale“ Angst oder etwa irgendeine düstere Vorahnung? Verlustangst und Corona-Angst sind keine gute Kombination. Dass ich gelegentlich prophetische Träume habe, trägt auch nicht gerade zu meiner Beruhigung bei. Ob es wirklich eine Vorahnung war, weiß man immer erst nachher. Hoffentlich nicht!

Nachthaus (cocoparisienne/pixabay)

Corona-Alpträume haben im Moment viele Menschen, tröstet mich das Internet. Auch da bin ich alles andere als allein. Wir befinden uns schließlich weltweit im Ausnahmezustand, sind machtlos und fremdbestimmt einem völlig neuen Problem ausgeliefert, mit dem wir nicht umgehen können, und werden gerade gleich massenweise traumatisiert. Vor allem die Kinder. Es gibt Kinder, die stundenlang weinen, weil sie Angst haben, dass jetzt alle an Corona sterben. Kinder, die so schlimme Angst haben, dass sie mit einem Mal nicht mehr allein auf Toilette gehen wollen, und ihre Mutter bitten, mitzukommen und ihnen die Hand zu halten. Große Kinder, die plötzlich dauernd auf den Schoß steigen und kuscheln wollen, die an ihren Eltern hängen wie die Kletten. Ich kann sie so gut verstehen. Wahrscheinlich haben auch sie nachts Alpträume.

Wir fühlen uns bedroht, unser Leben ist auf den Kopf gestellt, wir haben Angst umeinander und voreinander, fühlen uns einsam und abgeschnitten, die Zukunft ist wie ein undurchdringlicher Nebel. Nicht nur Menschen mit Angstneigung bringt das um den dringend nötigen Schlaf. Schlafstörungen sind auch so ein häufiges Problem. Ich hatte als Kind starke Angst vor dem Bett und vor der Nacht, denn ich wußte ja, was mich da erwartete. Jetzt kommt diese Angst zurück. Ich bin wieder das kleine Mädchen, das nicht ins Bett will, weil da doch nur Gefahr lauert.

Nachtlichter (enriquelopezgarre/pixabay)

Ich schlafe nur schwer ein, obwohl mein Mann mir jeden Abend fürsorglich vorliest, und oft werde ich mitten in der Nacht plötzlich mit rasendem Herzen wach, weil ich einen Alptraum hatte, weil mir zu heiß ist oder einfach so, ohne einen für mich ersichtlichen Grund. Und dann kann ich nur mit Mühe wieder einschlafen. Ich weiß, dass man in diesem Zustand wegen des „blauen Lichts“ nicht zum Handy greifen sollte, aber meistens mache ich es dann nach einer Stunde Wachsein und Wälzen doch und lese Zeitung, bis ich müde werde. Als erstes werden die Augen müde, denn das Starren auf das Handy-Display ist anstrengend. Seit ich einen beleuchteten kindle habe, kann ich zum Glück „richtig“ lesen. Gestern habe ich mir das „Mabinogion“ und ein altes Buch mit Haikus heruntergeladen, weil ich mich bei Angst gern in alte Mythen und japanische Gedichte flüchte. Hat sich in der Vergangenheit häufig bewährt. Am besten sind eigentlich extrem langweilige oder schwierige Bücher, bei denen man schon nach drei Seiten so erschöpft ist, dass man zu gähnen beginnt. Während meines Studiums eigneten sich dazu am besten Philosophiebücher, aber mit dem Seienden im Seienden oder dem kathegorischen Imperativ will ich mich jetzt nicht auch noch nachts rumschlagen. Dann doch lieber Mythen.

Zum Glück gibt es auch nachts noch sichere Orte, an die ich gehen kann, um endlich Ruhe und Frieden zu finden, zum Beispiel in die Hütte im Käuzchenwald, das Schlafzimmer am Meer und den Garten zwischen den Mauern, und auch die Übungen zur Muskelentspannung helfen. Aber darüber mehr im nächsten Beitrag.

Nachtfalter (stergo/pixabay)

 

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Farbenfrohes in trüben Zeiten – Niederrhein Rocks (2)

Seit meinem ersten Beitrag über die „Niederrhein Rocks“, der noch gar nicht so lange zurückliegt, hat sich in der Gruppe so viel getan, dass ich der Versuchung nicht widerstehen kann, noch ein paar mehr wandernde und ausgewilderte Steine zu zeigen. Die Wahl fällt mir wieder richtig schwer, zumal ich jeden Morgen neue kleine Kunstwerke auf der Seite entdecke.

Inzwischen hat die Gruppe bereits über sechstausend Mitglieder, die überaus aktiv und kreativ sind. Auch diesmal habe ich bei meiner „Präsentation“ kein wirkliches Konzept, sondern wähle einfach nur aus, was für meinen Blick spontan gut zueinander paßt. Schade, dass ich so weit weg wohne, sonst hätte ich bestimmt längst einige Steine adoptiert und hier im Garten ausgelegt. Am Sonntag habe ich mich übrigens tatsächlich selbst mal wieder hingesetzt und Steine bemalt. Seit einigen Jahren habe ich eine Steinspirale vor meinem Haselbusch. Wenn die Farben verschwunden sind, bemale ich die Steine wieder neu. Diesmal zum ersten Mal auch mit Gold. Jetzt leuchten sie in der Sonne.

Die Rocks haben in den letzten Monaten und vor allem während des Lockdowns sicher viele Menschen erfreut, überrascht und getröstet. So fand eine Frau an dem Tag, als ihr Hund eingeschläfert werden musste, auf dem traurigen Nachhauseweg vom Tierarzt gleich zwei Troststeine und konnte ganz kurz wieder ein bisschen lächeln.  Übrigens werden nicht alle Steine ausgewildert, etliche werden auch ganz gezielt verschenkt, für bestimmte Personen gestaltet oder nach Wunsch individuell bemalt.

Ein echter Renner sind die sogenannten „Müttersteine“, bei denen das erste Einzelstück, das in der Hebammenpraxis lag, beim Posten auf der fb-Seite so vielen werdenden Müttern gefiel, dass die Malerin erneut zur Tat schritt und der Stein „in Serie“ ging. Besonders anrührend finde ich übrigens die Sternenkindersteine, die von trauernden Eltern auf das Grab ihres verstorbenen Kindes gelegt werden können. Dazu gibt es einige sehr bewegende Geschichten.

Die meisten Steine werden so „versteckt“, dass man sie mit dem richtigen Blick bald findet, wobei vor allem darauf geachtet wird, dass auch Kinder sie gut sehen können. Und so liegen die Rocks malerisch auf Fensterbänken, Mauerkronen, Briefkästen, auf Bänken, Baumstümpfen, in Astgabelungen und Astlöchern, auf Hydranten, Schildern und Weidenpfählen, zwischen anderen Steinen, in Blumembeeten, vor Haustüren, auf Brunneneinfassungen, unter Bäumen, an Laternen oder unter Brücken.

Besonders Kindern, die ja in diesem Jahr vielerorts auf die Ostereiersuche verzichten mussten, machen die Rocks Riesenspaß. Nicht nur beim Finden und Bemalen gibt es viele kleine Fans, sondern auch beim Verstecken. So erfuhr ich von einer gewissen kleinen Enkelin namens Paula, der das Auswildern so gut gefällt, dass sie sich einen Teil von Omas Steinevorrat einfach geklaut hat und nun jeden Tag selbst aktiv auswildert. Das Prinzip hat sie trotz ihres zarten Alters sofort erfaßt. In der Nachbarschaft ist sie bereits eine richtige kleine Berühmtheit.

Danke an die vielen Malerinnen und Maler (ja, es gibt auch Männer in der Gruppe!), die so viel Freude und Zeit in ihre Werke stecken und mir für heute ihre Steine „geliehen“ haben.

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Süchtig nach Schneeglöckchen (Simone Garland)

Little Darlings  (Simone Garland)

In Ontario ist der Frühling in diesem Jahr zwar zeitig, doch es ist immer noch kalt. Heute, am Ostermontag, sind dort  -6°, und nachts fallen die Temperatur leicht bis zu -14°. Kein Wunder, dass die Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) dort später blühen als bei uns, obwohl sie inzwischen auch in Kanada anderen Frühlingsboten Platz gemacht haben. Der Gattungsname Galanthus stammt übrigens aus dem Griechischen und bedeutet Milchblume (abgeleitet von gala, Milch und anthos, Blüte). Nivalis  bedeutet schneeweiß und bezieht sich daher gleich doppelt auf die Blütenfarbe. Meine Freundin Simone schreibt, dass die kleinen Glöckchen in Kanada gerade erst abgeblüht sind und jetzt die Scilla (Blausterne) und Hyazinthen blühen.

Ich mag Schneeglöckchen sehr gern. Ich habe eine uralte Hasenvase aus feinem Porzellan, in der ich die ersten aus unserem Garten immer hier ins Wohnzimmer hole. Sie verströmen einen angenehm zarten, an Honig erinnernden Duft, welken aber leider sehr schnell, so dass ich jedesmal ein schlechtes Gewissen habe, weil ich sie nicht draußen gelassen habe. Auch Schneeglöckchen sind giftig. Das in ihnen enthaltene Alkaloid Galanthamin wird sogar als Medikament gegen Demenzerkrankungen eingesetzt und soll vor allem im frühen Stadium die Krankheit verlangsamen und die Gehirnleistung verbessern, auch wenn die Nebenwirkungen oft nicht angenehm sind.

Snowdrops (Simone Garland)

Hier in Deutschland sind die bekannten „Nettetaler Schneeglöckchentage“ inzwischen umgezogen und finden seit 2019 Mitte Februar in Knechtsteden statt. Eine Bekannte von mir wünscht sich jedes Jahr ein besonderes Galanthus-Exemplar zum Geburtstag. Das kann dann durchaus (natürlich pro Stück!) 50 Euro kosten, doch weil es ihr ausdrücklicher Geburtstagswunsch ist, sieht man es ihr nach. Sie ist halt ein bisschen verrückt, wenn es um Schneeglöckchen und Gartenpflanzen geht. Dabei ist sie nur eine überaus vorsichtige Sammlerin, kein Vergleich zu den wirklich Süchtigen! Ich kann sie gut verstehen und bleibe den „Schneeglöckchen Tagen“ daher aus Kostengründen lieber fern.

Besonders in England gibt es zahlreiche „Galanthophile“, die sich ihre Liebe zu den unscheinbaren Blühern einiges kosten lassen. Auf einer „Galanthus-Gala“ bezahlen Sammler für ein Exemplar der Sorte „Flacon de Neige“ ohne mit der Wimper zu zucken 260 Euro, für „E.A. Bowles“ um die 350 Euro, und ein einziges Exemplar von „Elizabeth Harrison“ hat sich ein Hardcore Fan 2012 sogar stolze 1.000 Euro kosten lassen. Wer hätte gedacht, dass die unscheinbaren Winzlinge so wertvoll sind! Man kauft sie allerdings besser im blühenden Zustand, damit man nicht etwa die Katze im Sack oder das Glöckchen in der Zwiebel kauft.

Schneeglöckchen an Osterei (Simone Garland)

Ich muss gestehen, dass ich (noch) wenig Ahnung von den verschiedenen Galanthus-Sorten habe, obwohl ich immerhin drei Varianten im Garten beherberge (aber es gibt an die Tausend!). Ich habe dummerweise vergessen, welche wo steht, und erkenne sie nur daran, dass sie verschieden hoch sind und zu unterschiedlichen Zeiten blühen. Daher nenne ich sie einfach „normales“, „großes“ und „spätes“ Schneeglöckchen, und alle drei dürfen sich natürlich frei verwildern, so dass wir schon früh im Jahr überall kleine und große Tuffs bewundern können.

Spezialisten können die kleinen Blüher natürlich auf einen Blick unterscheiden, etwa an der Färbung (es gibt sogar welche mit Gelbtönen!), den Zeichnungen und Markierungen (es gibt auch welche ganz ohne), der Größe (zwischen 5 und 25 cm), der Anzahl, Anordnung und Form der „Röckchen“ (rund oder spitz, verschieden weit abstehend bis hin zu reiner Tropfenform). Gefüllte Varianten und herbstblühende gibt es auch. Eine der frühesten Sorten trägt den lustigen Namen „Ding Dong“. Das Schneeglöckchen, das viele Namen hat (u.a. Schneedurchstecher, Schneeblümlein, Schneetröpfli, Frostglöckchen, Frühlingsglöckchen, Weiße Jungfrau) ist auf vielen Gemälden und Zeichnungen, in der Literatur und in Liedern und Musikstücken verewigt. In einer Vertonung von Schubert heißt es „das schöne blasse Kind“.

Naturbelassen (Simone Garland)

Möglicherweise spielt das Blümchen sogar in der „Odyssee“ eine kleine, aber wichtige Rolle. So soll Odysseus seine Männer mit einem Schneeglöckchen-Trank vom Zauber der Circe befreit haben. Doch möglicherweise war damit auch eine ganz andere Blume, nämlich die Zierlauchart Allium Moly, gemeint. Der Text ist da etwas widersprüchlich. Homer nennt sie zwar Moly, doch Moly blüht gelb. Im Text steht aber ausdrücklich, dass sie milchweiß blüht, daher weiß man es nicht so genau. Mir gefällt natürlich die Schneeglöckchenversion besser. So ein winziges Pflänzchen liefert das Gegengift zu einem so mächtigen Zauber!

Es gibt auch Legenden, die sich um diese Blume ranken. Als Gott den Schnee erschuf, gab er ihm keine Farbe, was den Schnee betrübte, daher fragte er bei den Blumen an, ob sie ihm von ihrer Farbe abgeben würden. Nur das Schneeglöckchen war bereit, mit ihm zu teilen. Daher kommt es, dass der Schnee nur das Schneeglöckchen in seiner Nähe duldet. Eine andere Legende erzählt, daß Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies während eines harten Winters in einer Schneelandschaft weinten und Gott einen Engel schickte, der die Flocken in winzige Blüten verwandelte. In einer weiteren Version weinte Eva Tränen der Reue, und aus ihren Tränen entstanden Schneeglöckchen.

Ein weiterer alter Name der  Blume lautet Lichtmess-Glöckchen, was auf ein längst vergessenes Ritual zurückgeht. Früher wurden in den katholischen Kirchen zu „Maria Lichtmess“ im Februar Schneeglöckchen als Sinnbild der Reinheit auf den Altar gestreut. Ich mag das Fest. An diesem Tag ging meine Oma mit mir in die Kirche, und wir ließen für die ganze Familie die Kerzen segnen. Darüber habe ich auch schon in diesem Blog geschrieben. Damals pflegten noch viele Familien Kerzen anzuzünden, für Unwetter und Gewitter gab es sogar eine ganz besondere, schwarze Kerze. Heute sind diese Gewitterkerzen nur noch schwer zu bekommen, aber ich habe voriges Jahr in Kevelaer welche gesehen.

Gewächshaus mit Gärtnern und Glöckchen (Simone Garland)

Das kleine Gewächshaus, in dem am Frühlingsanfang auch immer ein Töpfchen mit Schneeglöckchen steht, bekommt in Simones Haus jedes Jahr einen Ehrenplatz am Eingang und wird mit den Blumen bestückt, die gerade blühen. Als erstes kommen natürlich die Snowdrops, wie sie auf Englisch heißen. Zu den Holzfiguren aus dem Erzgebirge hat Simone einen ganz besonderen Bezug, denn die hat ihr Opa selbst auf einer Drehbank gemacht und auch selbst bemalt. Dargestellt sind Oma und Opa als Gärtnerin und Gärtner. Simone bekam sie als Erinnerung von ihm, als sie 1986 aus der DDR nach Kanada auswanderte. Die Großeltern hat sie danach leider nur noch wenige Male wiedergesehen, aber die schöne Erinnerung bleibt. In Opas Garten hatte die kleine Simone ein eigenes Beet, auf dem sie anpflanzen durfte, was sie wollte. Vielleicht wurzelt ja dort ihre große Liebe zu den Blumen und zur Natur?

Schneetröpfchen (Simone Garland)

 

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Osterglocken und Narzissen (Anni Hansen)

Narzissenwiese (Anni Hansen)

Fast alle Frühlingsblumen erschienen in diesem Jahr viel früher als sonst, und die meisten sind leider schon längst wieder verblüht. Hier im Garten kann man nur noch einige „Thalia“, spätblühende weiße Engelstränen-Narzissen, bewundern. Die meisten meiner Narzissen wachsen in Töpfen und Schalen, bald werde ich die Zwiebeln wieder aus dem Boden nehmen, an einer kühlen, dunklen Stelle überwintern und im nächsten Herbst wieder einpflanzen. Ich habe inzwischen eine kleine Sammlung – vor allem englische Zwergnarzissen mit wohlklingenden Namen wie „Rip van Winkle“, „Jack Snype“ und „Peeping Tom“.

Narzissen (der Name geht auf das griechische Wort narkein, betäuben, zurück), zu denen auch die gelb blühenden Osterglocken zählen, gehören nicht nur zu den beliebtesten Frühlingsblumen, sondern sicher auch zu den geheimnisvollsten. Lange vor unserer Zeit wurden sie bereits als Blumenschmuck genutzt, so fand man in einem altägyptischen Grab einen Kranz aus weißblühenden „Tazetten“, eine besondere Art von Narzissen mit mehreren büschelförmig wachsenden Blüten. Zudem begegnet man ihnen in alten Buchmalereien,  auf den Wandgemälden in Pompeji und auf mittelalterlichen Bildern, vor allem aber in der Dichtung und Mythologie, etwa dem Mythos von Demeter und Persephone.

Narzissen am Wasser (Anni Hansen)

Wenn sich die ersten Blumen zeigen, kehrt die junge Persephone aus der dunklen Unterwelt zurück zu ihrer Mutter Demeter. Das Mädchen Persephone ist gleich doppelt mit den Narzissen verbunden. So künden diese Blumen nicht nur von ihrer Rückkehr, sie waren auch der Köder, mit dem Hades, der Herrscher der Unterwelt, das junge Mädchen in seine Gewalt brachte. Er hatte sich in sie verliebt, wußte jedoch, dass sie ihm nicht freiwillig in sein dunkles Reich folgen würde. Als sie eines Tages mit ihren Freundinnen Blumen pflückte und sich gerade über eine betörend duftende Narzisse mit vielen Blüten beugte, stieg Hades plötzlich aus der Unterwelt empor, ergriff sie und entführte sie.

Ihre verzweifelte Mutter, die Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, wanderte klagend umher und suchte nach ihrer Tochter, konnte sie aber nirgends finden. Da wurde sie so traurig, dass sie den Pflanzen zu wachsen verbot, den Bäumen untersagte, Früchte zu tragen, und den Tieren, sich zu vermehren. Als alles verdorrte und die Menschen anfingen zu sterben, fürchteten die anderen Götter, die Erde würde vergehen, und Zeus befahl Hades, Persephone zumindest zeitweise freizulassen. So darf sie nun einen Teil des Jahres bei ihrer Mutter auf der Erde verbringen, in der restlichen Zeit lebt sie in der Unterwelt als Königin der Toten. Während ihrer Abwesenheit herrschen auf der Erde Winter und tiefe Trauer, doch wenn sie im Frühling zu ihrer Mutter zurückkehrt, beginnt die Natur wieder zu blühen und hüllt sich ihr zu Ehren in ihr schönstes Freudenkleid.

Narzissenpracht  (Anni Hansen)

Narzissen sind leider giftig, unter anderem enthalten sie Alkaloide wie Narcissin und Narcipoetin, und ihr Schleim kann empfindliche Haut so reizen, dass man eine Kontaktallergie entwickelt, die „Narzissendermatitis“. Man kann sie in der Vase auch nur schlecht mit anderen Blumen kombinieren, da die meisten Blumen ihren Schleim nicht vertragen. Ich wundere mich oft, dass ich gegen Narzissen und auch Efeu gar nicht allergisch bin, allerdings vertrage ich keinerlei Berührung mit Raublattgewächsen.

In der chinesischen Kultur gelten Narzissen als Glückssymbol, in der islamischen Welt haben sie Augen (besonders die weißen Dichternarzissen mit der auffälligen Nebenkrone in der Mitte), in christlichen Darstellungen sieht man sie sogar unter dem Kreuz blühen, vielleicht sind sie dort ein Zeichen der Wiedergeburt.

Frühlingserwachen (Anni Hansen)

In der Antike waren die Narzissen außerdem eng mit dem Jüngling Narziss (Narcissus, Narkissos) verknüpft, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte, das er auf der Oberfläche eines Sees erblickte. Es gibt unterschiedliche Versionen, wie er zu Tode kam.   Eine Geschichte erzählt, dass er bei dem Versuch, sich selbst zu umarmen, ertrank. Eine andere, dass er versuchte, nach seinem Spiegelbild zu greifen, dabei Wellen entstanden und das Spiegelbild sich so sehr verzerrte, dass es häßlich wurde. Aus Verzweiflung darüber stürzte er sich in die Fluten. Mir gefällt die ersten Version besser.

Übrigens war er nicht allein. Die Nymphe Echo, die sich unsterblich in den schönen Jüngling verliebt hatte, jedoch von ihm abgewiesen und verhöhnt worden war, weil sie aufgrund eines Fluchs, der auf ihr lastete, immer nur die letzten Worte von anderen wiederholen konnte, trauerte so sehr um ihn, dass sie dahinsiechte, sich in Stein verwandelte und am Ende nur ihre Stimme übrig blieb. Das Echo, das von den Felsen widerhallt. Doch auch der schöne Jüngling verschwand nicht ganz. An der Stelle, wo sein Körper gelegen hatte, nachdem man ihn aus dem Wasser gezogen hatte, wuchs später eine wunderschöne Narzisse. Der Beschreibung nach war es eine duftende weiße Dichternarzisse.

Dancing in the Breeze (Anni Hansen)

In Annis Bildern, die alle in ihrer Heimatstadt Lübeck aufgenommen wurden, kann ich nicht nur richtig in Narzissen schwelgen, sie erinnern mich auch sofort an die wunderbaren Nazissenbänke in Cambridge, die ich so liebe, und an das Gedicht von William Wordsworth „Daffodils“. Sein Haus habe ich vor einigen Jahren in England besucht, aber leider nicht, als die Daffodils blühten. Genau wie Lübeck. Ich war schon oft dort, aber noch nie zur Narzissenzeit. Irgendwann muss ich beides unbedingt nachholen. Und vielleicht lerne ich dabei auch endlich meine ferne Freundin Anni und ihre Katzen persönlich kennen.

 

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Hoffnungsvoll – Kleine Schönheiten (Ulli Jung)

Traubenhyazinte (Ulli Jung)

In den nächsten Tagen möchte ich einige große und kleine Blumenstars aus dieser Jahreszeit zeigen, die sich auch von Corona nicht beirren läßt und gerade in ihren schönsten Farben erstrahlt. Die Bilder stammen von Andy, Anni, Simone und Ulli, die ich seit mehr als vier Jahren kenne. Zum ersten Mal begegnet bin ich ihnen in einer Foto-Facebook-Gruppe, doch schon bald wurden wir ferne „Freunde und Freundinnen“.

Ich habe die vier noch nie persönlich getroffen, und doch haben wir fast täglich Kontakt, schauen immer mal wieder kurz beieinander vorbei und nehmen teil am Leben der anderen, den Sorgen und Verlusten, den Hoffnungen, Glücksmomenten und Freuden. Dass derartige virtuelle Treffen überhaupt möglich sind, gehört für mich zu den besonderen Wundern unserer Zeit. Durch das Internet werden Entfernungen außer Kraft gesetzt, Menschen können mühelos sekundenschnell durch verschiedene Zeitzonen reisen und in Windeseile Städte, Berge, Flüsse und Meere überfliegen.

Die Bilder kommen aus unterschiedlichen Orten im Norden und Süden Deutschlands und sogar aus Kanada. Zunächst wollte ich alle Bilder in einem gemeinsamen Beitrag zeigen, doch dann habe ich entschieden, mehrere Beiträge zu machen. Die Blumen sind einfach zu schön, und jedes Bild verdient es, genauer und in Ruhe für sich betrachtet zu werden.

Zarte Glöckchen  (Ulli Jung)

Die ersten drei Bilder sind von Ulli Jung. Sie lebt in Hamburg und probiert mit ihren Kameras und Objektiven immer wieder Neues aus. Sie experimentiert ausgesprochen gern, „malt“ mit Formen und Farben und beschreitet oft auch ungewöhnliche Wege. Eine Zeitlang erschuf sie fantasievolle, surreale Collagen, die aus anderen Welten zu stammen schienen und in meinem Kopf gleich Geschichten entstehen ließen. Einmal hat sie für mich auf facebook eindrucksvolle Bilder zu meiner Beitragsserie über Träume gemacht.

Momentan hat sie sich auf Macro-Aufnahmen spezialisiert und spürt den ganz kleinen Motiven nach, an denen so viele achtlos vorübergehen. Wenn es sein muss, robbt sie dazu sogar bäuchlings über Wiesen. Am liebsten nachmittags, wenn der Boden nicht mehr ganz so kalt ist.

Daisy (Ulli Jung)

Vor kurzem hat Ulli eine Foto-Serie nur mit Gänseblümchen gemacht, einer zu Unrecht oft übersehenen Blume, die ich besonders liebe. Mir gefällt auch der englische Name: Daisy. Als Kind bin ich zu Hause oft rasch auf den Rasen gelaufen und habe möglichst viele Daisies gerettet, bevor der Rasenmäher sie abschnitt. Ich hatte (und habe) sogar mehrere Väschen für diese Winzlinge.

Letztes Jahr erwischte mich ein Bekannter dabei, wie ich zwei Tütchen mit Gänseblümchensamen verstreute. „Ich seh‘ wohl nicht richtig? Du säst Gänseblümchen? In euren RASEN?“ Ja, mache ich. Natürlich nur auf den Rasen im hinteren Teil des Gartens, denn der gehört mir und ist entsprechend „unordentlich“ und voller Wildblumen. Im vorderen Gartenteil wächst der richtige Rasen. Der sieht ziemlich so aus, wie ein Rasen aussehen sollte und wird auch regelmäßig gedüngt und vertikutiert.

Wenn sich die Gänseblümchen dorthin verirren (und das tun sie dauernd) grabe ich sie vorsichtig aus und pflanze sie hinten wieder ein. Genau wie die Vergißmeinnicht. Die braucht man nur wieder an anderer Stelle in ein bisschen Erde zu setzen, dann wurzeln sie unverdrossen weiter. Das würde ich am liebsten auch mit Löwenzahn machen. Wenn der nur nicht so lange Wurzeln hätte! Die gehen mir beim Ausbuddeln immer kaputt. Löwenzahn fasziniert mich, weil er so wandelbar ist. Und er ist in jeder Phase auf andere Weise schön. Vielleicht sollte ich ihm mal einen ganzen Beitrag widmen?

 

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